Die Offenbarung des Koran

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Um die Offenbarung des Koran ranken sich viele Mythen und Legenden, die durch die vielfältigen angeblichen Prophetenworte nicht durchsichtiger werden, sondern viele verschiedene, sich teilweise widersprechende Versionen anbieten. Wir hingegen wollen lediglich den Koran selbst zu Wort kommen lassen und so erfahren, was es mit seiner Offenbarung auf sich hat.

In Sure 2 Vers 185 finden wir die Information, dass der Koran im Monat Ramadan herab gesandt wurde:

Der Monat Ramadan ist es, in dem der Qur’an als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als klarer Beweis der Rechtleitung und der Unterscheidung. Wer also von euch in dem Monat zugegen ist, der soll in ihm fasten. Und wer krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll eine Anzahl anderer Tage (fasten) – Allah will es euch leicht, Er will es euch nicht schwer machen – damit ihr die Frist vollendet und Allah rühmt, daß Er euch geleitet hat. Vielleicht werdet ihr dankbar sein.

شهر رمضان الذى انزل فيه القرءان هدى للناس وبينت من الهدى والفرقان فمن شهد منكم الشهر فليصمه ومن كان مريضا او على سفر فعدة من ايام اخر يريد الله بكم اليسر ولا يريد بكم العسر ولتكملوا العدة ولتكبروا الله على ما هدىكم ولعلكم تشكرون

Diese Angabe wird in Sure 44 Vers 2-5 näher präzisiert:

Bei dem deutlichen Buch! Wahrlich, Wir haben es in einer gesegneten Nacht herabgesandt – wahrlich, Wir haben damit gewarnt ; in dieser (Nacht) wird jegliche weise Sache entschieden auf Grund Unseres Befehls. Wahrlich, Wir haben geschickt.

والكتب المبين

انا انزلنه فى ليلة مبركة انا كنا منذرين

فيها يفرق كل امر حكيم

امرا من عندنا انا كنا مرسلين

Diese Nacht, in der alles bestimmt wird ist die „Lailatul Qadr“, die Nacht des Schicksals, wie Sure 97 Vers 1 verdeutlicht.

Wahrlich, Wir haben ihn herabgesandt in der Nacht von Al-Qadr.

انا انزلنه فى ليلة القدر

Aus den oben genannten Versen ist zu entnehmen, dass der Koran in einer bestimmten Nacht herab gesandt wurde, nämlich der Nacht des Schicksal. Die Wortwahl des Arabischen lässt an dieser Stelle jedoch offen, ob der Koran in dieser einen Nacht komplett oder in Teilen offenbart wurde. Die Wurzel des arabischen Ausdruckes für das, was hier mit „herab senden“ übersetzt wurde lautet Nun-Zay-Lam und kann die folgenden Bedeutungen haben:

to descend, come down, go down, happen, alight at, settle in a place, lodge. anzala – to send down, give. nazulun – that which is prepared for a guest’s entertainment, abode, gift. manzil – mansion, station. nazzala – to cause to descend, send down. tanziil – sending down, divine revelation, orderly arrangement and authentic compilation, gradual revelation.

http://www.studyquran.org/LaneLexicon/Volume8/00000285.pdf

http://www.studyquran.org/LaneLexicon/Volume8/00000286.pdf

Auf Grund dieses Zusammenhangs bin ich der Ansicht, dass der Koran potentiell schrittweise herab gesandt wurde. Zumindest schwingt dies in der Bedeutung der arab. Wurzel mit.

Bestätigt wird dies durch Sure 17 Vers 106:

Und Wir haben den Qur’an in Abschnitten offenbart, damit du ihn den Menschen in Ruhe verlesen mögest, und Wir sandten ihn nach und nach hinab.

وقرءانا فرقنه لتقراه على الناس على مكث ونزلنه تنزيلا

Weswegen dies so ist, erklärt uns Sure 25 Vers 32:

Und jene, die ungläubig sind, sagen: „Warum ist ihm der Qur’an nicht in einem Zuge herabgesandt worden?“ Dies (geschieht), weil Wir dein Herz dadurch stärken wollen, und Wir haben seine Anordnung recht gut gemacht.

وقال الذين كفروا لولا نزل عليه القرءان جملة وحدة كذلك لنثبت به فوادك ورتلنه ترتيلا

Doch wie wurde der Koran nun eigentlich offenbart? Gab Gott dem Propheten ein Buch in die Hand? Das tat er sicher nicht, denn sonst hätte der Prophet ständig in dem Buch nach der Stelle suchen müssen, die Bezug auf das nimmt, was die Menschen an Fragen an ihn heran trugen. So heißt es denn auch in Sure 6 Vers 7:

Wenn Wir dir auch eine Schrift auf einem Blatt Papier herabgesandt hätten, welche sie mit Händen angefaßt hätten, die Ungläubigen hätten selbst dann gesagt: „Das ist nichts als offenkundige Zauberei.“

ولو نزلنا عليك كتبا فى قرطاس فلمسوه بايديهم لقال الذين كفروا ان هذا الا سحر مبين

Der Koran verneint also, dass auch nur ein Satz in Schriftform offenbart wurde. Doch wie ging es dann vor sich?

Aus Sure 26 Vers 192-194 können wir erkennen, dass der Koran von Gabriel in das Herz Muhammads überbracht wurde.

Und wahrlich, dies ist eine Offenbarung vom Herrn der Welten, die vom vertrauenswürdigen Gabriel1, herabgebracht worden ist auf dein Herz, auf daß du einer der Warner sein mögest.

وانه لتنزيل رب العلمين

نزل به الروح الامين

على قلبك لتكون من المنذرين

Dies stimmt mit der Aussage überein, dass die Engel in der Nacht der Macht herabsteigen, wie Sure 97 Vers 4 berichtet:

In ihr steigen die Engel und Gabriel herab mit der Erlaubnis ihres Herrn zu jeglichem Geheiß.

تنزل الملئكة والروح فيها باذن ربهم من كل امر

Was tat nun Gabriel, nachdem er den Koran auf das Herz Muhammads gebracht hatte? Er lehrte den Propheten Muhammad den Koran, indem er ihn die Worte, die bereits in seinem Herzen waren rezitieren lies:

Lies im Namen deines Herrn, Der erschuf. (96:1)

اقرا باسم ربك الذى خلق

Vielmehr ist es eine Offenbarung, die (ihm) eingegeben wird. Gelehrt hat ihn einer, der über starke Macht verfügt. (53:4-5)

ان هو الا وحى يوحى

علمه شديد القوى

Manche sind der Ansicht, dass es Gott sei, der in Sure 53 gemeint sei, doch würde dieses Verständnis zu einem Widerspruch führen, da in Sure 53 Vers 11 davon die Rede ist, dass dann Gott gesehen worden wäre, während Gott mit dem Menschen jedoch ohne Sichtkontakt kommuniziert, wie Sure 42 Vers 51 berichtet:

Und keinem Menschen steht es zu, daß Allah zu ihm sprechen sollte, außer durch Eingebung oder hinter einem Vorhang oder, indem Er einen Boten schickt, um durch Sein Geheiß zu offenbaren, was Er will; Er ist Erhaben, Allweise.

وما كان لبشر ان يكلمه الله الا وحيا او من ورائ حجاب او يرسل رسولا فيوحى باذنه ما يشاء انه على حكيم

Jedenfalls war der Koran dem Propheten nach der Herabsendung zwar präsent, doch er durfte ihn nicht sogleich mit eigener Zunge wiedergeben; vielmehr musste er warten, bis er damit beauftragt wurde:

Bewege deine Zunge nicht mit ihm (dem Qur’an), um dich damit zu übereilen. Uns obliegt seine Sammlung und seine Verlesung. Darum folge seiner Verlesung, wenn Wir ihn verlesen lassen; dann obliegt Uns, seine Bedeutung darzulegen. (75:16-19)

لا تحرك به لسانك لتعجل به

ان علينا جمعه وقرءانه

فاذا قرانه فاتبع قرءانه

ثم ان علينا بيانه

 

Hoch Erhaben ist Allah, der wahre König! Und überhaste dich nicht mit dem Qur’an, ehe seine Offenbarung dir nicht vollständig zuteil geworden ist, sondern sprich: „O mein Herr, mehre mein Wissen.“ (20:114)

فتعلى الله الملك الحق ولا تعجل بالقرءان من قبل ان يقضى اليك وحيه وقل رب زدنى علما

 

Es ist zu beachten, dass an dieser Stelle nicht mehr von „Herabsendung“ die Rede ist, sondern von „Offenbarung“. Offenbar besteht ein Unterschied zwischen der Herabsendung in das Herz und dem Vorbringen des Koran mit der Zunge. Letzteres geschieht offenbar durch Eingebung. Diese Eingebung ist somit losgelöst vom Herabsendungsprozess zu sein.

Beachtenswert ist auch, dass die Darlegung der Bedeutung offenbar mit der Vollendung der Offenbarung korrespondiert. Letztlich erklärt sich der Koran also in seiner Gesamtheit erst, wenn er vollständig vorliegt.

 

Zusammenfassung:

  • Der Koran wurde über einen längeren Zeitraum schrittweise stets in der Nacht des Schicksals im Momat Ramadan herab gesandt.
  • Dabei wurde er von Gabriel in das Herz Muhammads überbracht.
  • Um den Inhalt auch für andere und sich selbst sichtbar zu machen, musste Muhammad die Worte lesen bzw. rezitieren.
  • Diese Rezitation ist losgelöst vom Prozess der Herabsendung, kann also jederzeit stattfinden.


1 Die Gleichsetzung von „Ruh“ mit Gabriel verdient eine gesonderte Behandlung, die auch Platzgründen hier nicht vorgenommen wird.

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