Ahadith sind solch ein integraler Bestandteil des traditionellen Islam, daß, wenn jemand die Ansicht äußert, der Koran sollte als alleinige Quelle religiösen Rechts und Führung dienen, diese gewöhnlich mit Schock und Bestürzung konfrontiert ist. Daher müssen diejenigen, die dem Koran alleine folgen den Ahadith einige Fragen stellen.
Das arabische Wort „hadith“ bedeutet Geschichte oder Spruch. Jede Geschichte oder jeder Spruch von irgendwem. Für traditionelle Muslime hingegen bedeutet dieser Begriff eine Geschichte oder einen Spruch über Muhammad bzw. etwas, was Muhammad zugeschrieben wird.
Diskussionen über Ahadith haben sich traditionell mit der Frage nach deren Authenzität befaßt. Dies gilt auch für Diskussionen zwischen Anhängern der Ahadith und denen, die nur dem Koran folgen. So Gott will werden wir sehen, wie die Fixierung auf die Frage nach der Authenzität andere, entscheidende Fragen bezüglich der Ahadith überlagert hat.
Für traditionelle Muslime ist die Fixierung auf die Authenzität ein Versuch sicherzustellen, daß die Menschen in der Lage sind die Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Ahadith zu bestimmen, um herauszufinden, welche als Quelle für Recht und Führung taugen können.
Frühe muslimische Gelehrte nahmen große Anstrengungen auf sich, um Informationen über die Personen, die Ahadith angeblich erzählt und überliefert hatten zusammenzustellen, um zwischen Vertrauenswürdigen und denen, die es nicht sind unterscheiden zu können. Nur Erzählungen von vermutlich vertrauenswürdigen Personen gelten als authentisch und damit als relevant. Die Frage, ob Muslime ihren Ansprüchen immer gerecht wurden ist ein anderer Fall, den ich hier nicht näher behandeln werde. Wichtig ist an dieser Stelle nur die Tatsache, daß nach ihrem Verständnis die Frage nach der Authenzität von höchster Priorität ist.
Viele derer, die dem Koran folgen richten ihr Hauptaugenmerk ebenfalls auf die Authenzität, wenn sie über die Nutzung von Ahadith diskutieren. Sie stellen die Authenzität aller Ahadith in Frage und damit die Verpflichtung diesen zu folgen. Ihre Argumentation basiert dabei vor allem darauf, daß die frühesten so genannten „Sahih“-Sammlungen von Ahadith über 200 Jahre nach dem Tode Muhammads verfaßt wurden. Ermutigt durch die Arbeiten bekannter, nichtmuslimischer Islamwissenschaftler, die ebenfalls die Authenzität der Ahadith in Frage stellen, proklamieren diejenigen, die nur dem Koran folgen, daß man die Ahadith nicht befolgen sollte, da sie späte Erfindungen ohne Verbindung zu Muhammad seien.
Als Antwort auf die Herausforderung der nichtmuslimischen Islamwissenschaft haben islamische Gelehrte fleißig daran gearbeitet, die frühestmöglichen Niederschriften von Ahadith hervorzuheben; diese werden von ihnen auf die Mitte des zweiten Jahrhunderts nach der Hijra – etwa 100 Jahre vor der Niederschrift der sogenannten Sahih-Sammlungen – datiert. Dies zusammen mit frühen Geschichten, die davon berichten, daß die ersten Generationen von Muslimen Ahadith niederschrieben und weitergaben brachte Wissenschaftler, die den Ahadith positiv gegenüberstehen zu der Annahme, daß man selbst ohne physikalischen Nachweis der Datierung davon ausgehen könne, daß es wahrscheinlich ist, daß die Ahadith von Anfang an sowohl mündlich, als auch schriftlich übermittelt wurden.
Die historischen Aufzeichnungen waren jedoch nicht in der Lage, eindeutige Beweise für oder gegen die frühen Überlieferungen der Ahadith zu anzuführen. Dies führte dazu, daß jede Seite die Informationen nutzt, die ihre eigene Sichtweise am besten unterstützen – die Diskussion bezüglich der Authenzität dauert somit an.
Doch ist die Frage nach der Echtheit wirklich diejenige, die wir stellen sollten? Hat sie es verdient der zentrale Schwerpunkt innerhalb der Diskussion über die Relevanz der Ahadith zu sein? Lassen Sie uns – so Gott will – andere Fragen stellen, die oftmals von der Frage der Authenzität überlagert werden.
Der Koran stellt etliche Fragen, die in Zusammenhang mit den Ahadith stehen. Indem wir diese überdenken, können wir – so Gott will – die Frage bezüglich der Echtheit in den rechten Blickwinkel rücken.
Unter den Fragen, die der Koran im Hinblick auf die Ahadith stellt sind folgenden zu finden:
„An was für eine weitere Verkündigung (hadieth) wollen sie denn glauben (nachdem sie diese koranische Offenbarung abgelehnt haben)?“ (7:185)
„Dies sind die Verse Allahs. Wir verlesen sie dir der Wahrheit entsprechend. An was für eine (weitere) Verkündigung (hadieth) wollen sie denn glauben, nachdem Allah und seine Verse (unmittelbar zu ihnen) gesprochen haben (ba`da llaahi wa-aayaatihie)?“ (45:6)
Wir verstehen diese Fragen besser, wenn wir eine weitere Frage des Koran berücksichtigen:
„Soll ich mir denn einen anderen Schiedsrichter wünschen als Allah, wo er es doch ist, der die Schrift, klar auseinandergesetzt (mufassalan), zu euch herabgesandt hat?“ (6:114)
Auch:
„Was ist denn mit euch? Wie urteilt ihr (so verkehrt)? Oder habt ihr eine Schrift, (auf die ihr euch berufen und) in der ihr forschen könntet?“ (68:36-37)
Dies sind die wirklichen Fragen, die es verdienen, in Bezug auf die Diskussion über die Ahadith, daß man Hauptaugenmerk auf sie legt. Wenn wir die Antworten auf diese Fragen verneinen, so sehen wir, daß die Fragen nach der Echtheit der Ahadith nicht nur sekundär wird, sie wird überflüssig.
Wenn wir ausschließlich Gott und seiner Offenbarung als Quelle von Rcht und Führung folgen und an keine anderen Ahadith, als Gottes Offenbarung glauben, so macht es keinen Unterschied, ob ein Hadith authnetisch ist oder nicht. Der Koran fragt nicht danach, ob ein Hadith echt ist. Der Koran fragt, ob es eine andere Offenbarung, als die Gottes ist. Selbst wenn wir den absoluten Beweis hätten, daß ein Hadith wirklich vom Propheten stammt, selbst wenn wir es direkt von seinen Lippen vernommen hätten, so ist es noch immer etwas anderes, als Gottes Offenbarung. Auf Grund von 6:114 und 45:6 handelt es sich dabei um eine illegitime Quelle von Recht und Führung.
Nicht nur sind Ahadith – selbst authentische Ahadith – eine ungültige Quelle von Recht und Führung, sie können auch eine Quelle der Irreführung sein. Es ist offensichtlich, daß Ahadith mit negativem Inhalt, wie zum Beispiel die Aufforderung Ehebrecher zu steinigen, eine Quelle der Irreführung sind. Doch was ist mit Ahadith positiven Inhaltes?
Mainstream-Muslime aller Rechtsschulen bestehen darauf, daß Ahadith aus verschiedenen Gründen notwendig seien. Unter den wichtigsten Gründen wird angeführt, daß wir ohne Ahadith den Korannicht verstehen könnten. Sie sagen, Ahadith würden die Bedeutung des Koran erhellen. Doch Gott sagt uns, der Koran sei Licht (4:174), 42:52). Können Ahadith etwas erhellen, das Licht ist?
Kann der Mond die Sonne erhellen? Nein, der Mond refeltiert lediglich das Licht, welches die Sonne ausstrahlt. Ebenso ist jedes Licht, das man in den Ahadith des Propheten findet nicht mehr als eine Reflexion des Lichtes des Koran.
Der Mond ist nur sichtbar, wenn unsere Seite der Erde von der Sonne abgewandt ist. Ist die Sonne über uns, so ist der Mond nicht länger sichtbar. Doch wenn der Mond sich zwischen uns und der Sonne befindet, so befinden wir und in der Dinkelheit einer Sonnenfinsternis. Während dieser Finsternis verhindert der Mond, der das Licht der Sonne reflektiert, wenn wir von der Sonne abgewandt sind, daß das Licht der Sonne zu uns durchdringt.
Für einen Gläubigen ist der Koran die Sonne, die niemals untergeht. Ahadith, alle Ahadith, sind der Mond. Wenden wir uns den Ahadith zu, wenden wir uns vom Koran ab. Lassen wir die Ahadith zwischen uns und den Koran gelangen, so befinden wir uns in der Dunkelheit einer spirituellen Finsternis wieder – abgeschnitten vom Licht des Koran.
Originaltext: http://free-minds.org/aisha