Imam Al-Shafis Koranexegese

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Imam Al-Shafi gilt unter Sunniten als eine Koryphäe des islamischen Rechts. Um so erschreckender, daß Al-Shafi sich offenbar den Koran so hingedreht hat, damit es in sein Konzept paßt. Dies kann man nachlesen in seinem Buch „Kitab Jima al-ilm“. Dort führt er im ersten Kapitel einen Disput mit einer Person, die sämtliche Ahadith als Rechtsquelle ablehnt, was übrigens der Beweis dafür ist, daß es schon viel länger Personen gibt, die die Sunna als Rechtsquelle ablehnen, als Sunniten bewußt ist. In diesem Disput gewinnt natürlich Al-Shafi, doch sehen wir uns seine Argumente einmal genauer an.

Er will belegen, daß der Islam aus zwei Offenbarungen bestünde: dem Koran und der Sunna. Um dies zu belegen zitiert er zunächst Sure 62 Vers 2:

„Er ist es, der unter den Heiden (fie l-ummieyiena) einen Gesandten aus ihren eigenen Reihen hat auftreten lassen, der ihnen seine Verse verliest, sie (von der Unreinheit des Heidentums) läutert und sie die Schrift und die Weisheit lehrt. – Früher befanden sie sich offensichtlich im Irrtum. -„ (Paret)

Al-Shafi weißt nun darauf hin, daß Allah den Gesandten nicht nur die Schrift sondern auch die Weisheit gelehrt habe. Folgerichtig weißt ihn sein Diskussionspartner darauf hin, daß mit Schrift und Weisheit durchaus auch nur eine Sache gemeint sein kann. Dieser Einwand ist folgerichtig, denn der Koran sagt in Surre 33 Vers 7:

„Und (damals) als wir von den Propheten ihre Verpflichtung entgegennahmen, und von dir, und von Noah, Abraham, Moses und Jesus, dem Sohn der Maria! Wir nahmen von ihnen eine feste Verpflichtung entgegen.“ (Paret)

Würde man nun Al-Shafis Interpretation folgen, so müßte man aus 33/7 schließen, daß Noah, Abraham, Moses, Jesus und Muhammad etwas anderes seien, als Propheten, da sie ja von den Propheten durch ein „wa“ (und) getrennt erwähnt werden. Dies tut Al-Shafi jedoch nicht. Es scheint ihm sehr wohl bewußt gewesen zu sein, daß es diese Satzkonstellationen im Koran gibt und daß sie nicht zwingend ein trennendes Element bilden, sondern ebenfalls eine Erweiterung darstellen können: die Propheten beinhalten Noah, Abraham, Moses, Jesus und Muhammad, so wie die Schrift die Weisheit beinhaltet. Entsprechend geht also Al-Shafi auf diesen Einwand ein und zitiert nun einen weiteren Vers, um seine Meinung zu untermauern:

Sure 33 Vers 34:

„Und behaltet im Gedächtnis, was von den Versen Allahs und von der (göttlichen) Weisheit in eurem Haus verlesen wird! Allah ist (immer) gütig (inna llaaha kaana latiefan) und ist (über alles) wohl unterrichtet.“ (Paret)

Hier will Al-Shafi darauf hinaus, daß ja nun zwei Dinge rezitiert worden seien: die Verse Allahs und die Weisheit. Es erhebt sich allerdings die Frage – abgesehen davon, daß wir hier denselben Satzbau wie in 62/2 haben – wie man die Sunna rezitieren können sollte, da diese ja laut sunnitischer Gelehrtenmeinung eben nicht nur aus Worten, sondern auch aus Taten besteht. So etwas kann man nicht verlesen, allenfalls paraphrasieren. Entsprechend bleibt Al-Shafi eine konkrete Erklärung schuldig. Stattdessen verlegt er sich darauf belegen zu wollen, daß man dem Propheten ebenfalls folgen müsse. Dies geschieht mittels der folgenden Vers: 4/65, 4/80, 4/63:

„Aber nein, bei deinem Herrn! Sie sind so lange nicht (wirklich) gläubig, bis sie dich zum Schiedsrichter machen über das, was zwischen ihnen umstritten ist, und sich hierauf durch die Entscheidung, die du getroffen hast, nicht bedrückt fühlen, (dir) vielmehr uneingeschränkt beipflichten (wa-yusallimuu taslieman). „

„Wenn einer dem Gesandten gehorcht, gehorcht er (damit) Allah. Und wenn einer sich abwendet (und keinen Gohorsam leistet, ist das seine Sache). Wir haben dich nicht als Hüter über sie gesandt.“

„Das sind die, von denen Allah weiß, was sie (insgeheim) im Herzen haben. Wende dich von ihnen ab! Und vermahne sie und sag ihnen deutlich darüber Bescheid, was von ihnen zu halten ist!“ (Paret)

Sein Diskussionspartner wendet daraufhin ein, daß man ebenso gut sagen könne, daß die Weisheit nur in dem zu finden sei, was im Koran steht und man dadurch dem Gesandten folgen würde. Dies ist ein wichtiger Einwand, denn in keinem der von Al-Shafi zitierten Verse findet sich eine Gleichsetzung von göttlicher Offenbarung mit allen Aussprüchen des Propheten. Daher zitiert nun Al-Shafi Sure 59 Vers 7:

Was Allah seinem Gesandten von den Bewohnern der Städte (als Beute) zugewiesen hat, gehört Allah und seinem Gesandten, des weiteren den Verwandten, den Waisen, den Armen und dem, der unterwegs ist. (Es soll dem Gesandten vorbehalten sein und von ihm verteilt werden) damit es nicht (als zusätzlicher Besitz) unter denen von euch umläuft, die (schon) reich sind. Was der Gesandte euch nun (aus diesem seinem Verfügungsfonds) gibt, das nehmt an; und was er untersagt, dessen enthaltet euch! Und fürchtet Allah! Er verhängt schwere Strafen.“ (Paret)

Dies überzeugt im „Kitab Jima al-ilm“ Al-Shafis Kontrahenten. Es stellt sich allerdings die Frage, wieso gerade dies nun Al-Shafis Gegenspieler überzeugen sollte, denn auch dieser Vers ist, wie die übrigen nicht eindeutig. Aber der Reihe nach:

Es wurde bereits erwähnt, daß die Verknüpfung einzelner Begriff durch „wa“ (und) nicht zwingend eine Erweiterung darstellen muß, sondern auch eine Beschreibung dessen sein kann, was der vorhergehende Begriff beinhaltet. Daher ist festzustellen, daß weder 62/2 noch 33/34 als Beweis für eine zweite Quelle der Offenbarung dienen können. Mehr noch: Al-Shafi begibt sich mit seiner Gleichstzung von Weisheit (hikma) mit Sunna auf dünnes Eis, denn auch diese Interpretation war bereits zu seiner Zeit umstritten. Dies belegt der Korankommentar von Hud ibn Muhakkam1: „Einige sagen, das Buch sei der Koran und die Weisheit sei die Sunna“. Diese Aussage legt nahe, daß die Definition dessen, was Weisheit ist nicht unumstritten war, womit diese Verse jegliche Beweiskraft verlieren, da sie mehrdeutig sind. Man kann nicht Gottes Wort durch Vermutungen ergänzen.

Wie bereits von Al-Shafis Kontrahenten festgestellt, kann kein Vers, der das Befolgen des Gesandten erwähnt als ein Befolgen der Sunna umgemünzt werden, da nicht ersichtlich ist, daß dieses „Befolgen“ Abseits der koranischen Offenbarung erfolgen müßte. Auch dies ist reine Spekulation und es ist nicht statthaft, auf Grund von Spekulationen Neuerungen in die Religion einzuführen. Daß dies alles Spekulationen sind wird deutlich an Al-Shafis letztem Argument, nämlich Vers 59 Vers 7. Hier ist ebenfalls belegt, daß die Bedeutung, die er dem Vers geben will nicht unumstritten ist. So lesen wir bei Abu Zakariya Yaha ibn Ziayd al-Farra, daß sich dieser Vers lediglich auf Geld bezöge!2

Wie wir also gesehen haben basieren sämtliche Argumente für die Sunna auf Annahmen und Spekulationen! Was sagt nun der Koran zu solch einem Vorgehen:

„Er ist es, der die Schrift auf dich herabgesandt hat. Darin gibt es (eindeutig) bestimmte Verse (aayaat muhkamaat) – sie sind die Urschrift (umm al-kitaab) – und andere, mehrdeutige (mutaschaabihaat). Diejenigen nun, die in ihrem Herzen (vom rechten Weg) abschweifen, folgen dem, was darin mehrdeutig ist, wobei sie darauf aus sind, (die Leute) unsicher zu machen und es (nach ihrer Weise) zu deuten. Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Allah. Und diejenigen, die ein gründliches Wissen haben, sagen: „Wir glauben daran. Alles (was in der Schrift steht) stammt von unserem Herrn (und ist wahre Offenbarung, ob wir es deuten können oder nicht).“ Aber nur diejenigen, die Verstand haben, lassen sich mahnen.“ (Paret)

 

 


1 Al-Hajj ibn Said al-Sharif, Introduction to Tafsir Kitab Allah al-‚Aziz, vol. 1 von Hud ibn Muhakkam (Beirut: Dar al-Gharb al-Islami, 1990), 13.
2 Abu Zakariya Yaha ibn Ziyad al-Farra, Ma’ani al-Quran, vol. 3 Edited by Abd al-Fattah Ismail al-Thalabi (Cairo: al-Hayata al-Misriyya al-Amma lil-kitAb, 1972), 144-145.

Quellen und Weiterführendes:

„Hadith as Scriture“ von Aisha Y Musa, 1. Auflage 2008

http://alrahman.de/hadith-und-sunna/vogel-dieser-vogel?showall=1

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