In den Religionen gibt es viele Rituale; der Islam bildet da keine Ausnahme. Das rituelle Pflichtgebet zum Beispiel oder das Fasten im Ramadan sind die bekanntesten davon. Viele Menschen jedoch lehnen diese Rituale als unsinnig ab, als nicht mehr kompatibel mit den heutigen Verhältnissen. So sei es schwierig – gerade im Sommer – in der Morgendämmerung zu beten, da es so früh sei und man den Schlaf für die Arbeit brauche. Dasselbe sei es unter Tag, denn man könne ja nicht so einfach während der Arbeitszeit beten.
Dieselbe Argumentation begegnet uns beim Fasten: die Zeiten seien zu lang, die Nächte zu kurz, die Arbeit zu mühsam und man brauche seine Energie. Stillschweigend wird hingenommen, dass die Arbeit unser Leben bestimmt und ist es nicht die Arbeit, so finden sich andere Gründe, wieso man etwas nicht tun kann. Bei weniger wichtigen rituellen Regeln – zum Beispiel der Verzicht auf Schweinefleisch – meint man gar, dass es doch unnütz sei, weil heute ja Kühlschränke vorhanden seien und das Fleisch also auch nicht so schnell verderben würde wie damals in der heißen Wüste.
Dies alles ist jedoch eine Verkennung des Nutzens von Ritualen. Zunächst geben Rituale unserem Leben eine Struktur. Je nach dem, um welche Art es sich dabei handelt dient es dem geordneten Lebenslauf (Gebet), fördert das Gemeinschaftsgefühl (Ramadan) oder es dient ganz allgemein der Festigung der Gemeinde und des Glaubens. Daher ist der Nutzen nicht immer direkt im Ritual selbst zu suchen. Man hätte Beispielsweise statt Schwein auch Kaninchen verbieten können. Es geht lediglich darum, dass etwas verboten und für alle Gläubigen verbindlich ist, denn an der Einhaltung des Rituals lässt sich die Ernsthaftigkeit des Glaubens zwar nicht messen aber doch schätzen. Jemand der ständig Schwein ist, der nimmt es mit seinem Glauben nicht sonderlich ernst und ist automatisch auch weniger vertrauenswürdig – zumindest in derlei belangen. Ob diese Größe nun objektiv richtig ist spielt dabei aber auch keine übergeordnete Rolle (es könnte ja auch ein Heuchler sein), aber der Zusammenhalt wird positiv beeinflusst, zumal sich unter Umständen auch ähnliche Probleme ergeben, die gemeinsam angegangen werden können.
Rituale – ich sagte es bereits – geben unserem Leben Struktur. Wenn man jeden Tag zur selben Uhrzeit dasselbe tut, dann spielt sich eine gewisse Routine ein und es geht einem alles leichter von der Hand. Sie vereinfachen auch das gesellschaftliche Zusammenleben, da man in gewisser Art weiß, was man vom anderen zu Erwarten hat und was nicht. Beispielsweise kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen früh morgens nicht geweckt werden wollen, weil sie da schlafen (Ritual), auch ist es im weitesten Sinne ein Ritual, sich zu Begrüßen, wenn man sich sieht bzw. sich die Hand gibt.
Man sieht, es gibt etliche Rituale, die uns gar nicht auffallen bzw. die einfach anders genannt werden. Gewohnheiten zum Beispiel, Anstandsregeln, etc..
Wir als Gottergebene, die an die Wahrheit des Koran glauben sollten daher unsere Anstandsregeln nicht vergessen und uns bemühen, die Gemeinschaft durch die Einhaltung unserer Rituale zu stärken. Dabei ist es nicht dramatisch, wenn man manchmal einfach nicht alles einhalten kann – auch hier zählt die Absicht und das Bewußtsein. Wichtig ist jedoch immer zu bedenken, dass wir uns nicht von unserem Umfeld formen lassen sollten, sondern dass wir das Umfeld formen sollten. Und wenn wir nicht beten können, nicht Fasten können, dann sollte man sich einmal überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, eine Veränderung anzustreben, aus dem Kreis der Arbeit auszubrechen und den Tag neu zu strukturieren. Es gibt viele Vereinigungen, die solche Ziele verfolgen: 30 Stunden Woche wäre solch ein Fall. Der Mensch braucht nämlich nicht nur die Rituale, die ihm aufgezwungen werden, sondern auch die, für die er sich bewußt entscheidet.