Die Mehrheit der Muslime ist der Ansicht, daß der Koran gebiete, dem Propheten Muhammad in jeder Hinsicht zu folgen. Um dies zu belegen werden u.a. die folgenden Verse angeführt:
Sure 53 Vers 3-4: „Und er redet nicht aus seinen Gelüsten heraus. Es ist nur eine Offenbarung, die offenbart wird.“
Sure 4 Vers 64: „Und wir entsandten keinen Gesandten, außer damit ihm gehorcht wird, durch die Erlaubnis Allahs.“
Sure 4 Vers 80: „Und wer dem Gesandten gehorcht, der gehorcht Allah.“
Es gibt noch weitere Verse ähnlichen Inhaltes, die im Grunde genommen alle dasselbe sagen: man soll dem Gesandten folgen.
Doch was bedeutet dies nun genau? Für Sunniten und Schiiten ist diese Antwort klar: der Prophet ist uns in jeglicher Hinsicht ein Vorbild und allem, was er sagt ist Folge zu leisten, denn er spricht nicht aus seinen eigenen Gelüsten heraus. Soweit so unklar, denn eine solche Deutung der obgen Verse wirft Fragen auf.
Die erste Frage lautet:
Hat der Prophet wirklich ständig nur das gesagt bzw getan, was Allah ihm eingab?
Diese Frage ist mit den folgenden Koranversen zu beantworten:
Sure 66 Vers 1: „Prophet! Warum erklärst du denn im Bestreben, deine Gattinnen zufriedenzustellen, für verboten, was Allah dir erlaubt hat? (Mit deinem Enthaltungsschwur hast du Unrecht getan.) Aber Allah ist barmherzig und bereit zu vergeben. „
Hier erkundigt sich Gott beim Propheten, wieso dieser Dinge verbietet, die Gott erlaubt hat. Es ist also zu schließen, daß Muhammad an dieser Stelle aus eigenem Antrieb handelte.
Sure 13 Vers 37: „So (wie er dir vorliegt) haben wir ihn als eine arabische Entscheidung (hukm) hinabgesandt. Solltest du aber nach (all) dem Wissen, das dir (von Allah her) zugekommen ist, ihren (persönlichen) Neigungen folgen (und den wahren Glauben aufgeben), dann hast du Allah gegenüber weder Freund noch Beschützer.“
Hier wird klargestellt, daß Muhammad durchaus in der Lage ist, seinen eigenen Gelüsten zu folgen. Dieser Vers belegt, daß Sure 53 Vers 3-4 nicht auf alle Handlungen anzuwenden ist, sondern nur auf das, was Gott Muhammad direkt offenbart hat. Der Vers kann sich also nur auf die Verkündigung des Koran beziehen. Wäre es anders, wie könnte Allah Muhammad dann tadeln?
Sure 80 Vers 5-11 „Wenn einer (auf Grund seines Ansehens und Reichtums) selbstherrlich auftritt (istaghnaa), kommst du ihm bereitwillig entgegen (tasaddaa), ohne dir etwas daraus zu machen, daß er sich nicht reinigen will (wa-maa `alaika allaa yazzakkaa). Wenn dagegen einer (voll guten Willens) zu dir gelaufen kommt und dabei gottesfürchtig ist, kümmerst du dich nicht um ihn (fa-anta`anhu talahhaa).Nein! Es ist eine Erinnerung (was hier verkündet wird).“
Sure 9 Vers43: „Allah verzeihe (es) dir! Warum hast du ihnen (denn gleich) Dispens gegeben, noch bevor du über diejenigen Klarheit bekommen hattest, die die Wahrheit sagten, und (bevor) du wußtest, wer die Lügner waren?“
Auch hier wird Muhammad für sein Verhalten getadelt. Auch hier folgt er seinen Gelüsten, auch hier ist er kein Vorbild, sondern wird von Gott korrigiert.
Diese vier Verse machen klar, daß Muhammad in seinem Verhalten nicht immer frei von Gelüsten war. Würde man also die obigen Verse auf jegliche Verhaltensweise oder Äußerung des Propheten beziehen, so entstünde ein Widerspruch innerhalb des Koran.
Die zweite Frage lautet:
Wie haben die Gefährten des Propheten seine Aussagen behandelt?
Man kann sagen, sie behandelten die Aussagen gemischt. Dies deutet darauf hin, daß die obige Deutung der Koranverse zur damaligen Zeit offenbar kein Konsens unter den Muslimen war:
Sahih Buchari Volume 7, Book 70, Number 573:
Narrated Ibn ‚Abbas:
When Allah’s Apostle was on his death-bed and in the house there were some people among whom was ‚Umar bin Al-Khattab, the Prophet said, „Come, let me write for you a statement after which you will not go astray.“ ‚Umar said, „The Prophet is seriously ill and you have the Qur’an; so the Book of Allah is enough for us.“ The people present in the house differed and quarrelled. Some said „Go near so that the Prophet may write for you a statement after which you will not go astray,“ while the others said as Umar said. When they caused a hue and cry before the Prophet, Allah’s Apostle said, „Go away!“ Narrated ‚Ubaidullah: Ibn ‚Abbas used to say, „It was very unfortunate that Allah’s Apostle was prevented from writing that statement for them because of their disagreement and noise.“
In diesem Hadith lehnt Umar es ab, den Propheten etwas offenbar wichtiges aufschreiben zu lassen. Als der Prophet unterläßt, wird dies von Ibn Abbas als Unglück empfunden.
Offenbar geht Umar in diesem Hadith davon aus, daß der Koran alleine genüge, während andere dies nicht so sahen. Der Prophet lehnt es auf Grun ddes entstandenen Tumults ab, etwas aufzuschreiben. Daraus ergeben sich Fragen:
1. Wieso läßt sich ein Prophet davon abbringen seine Botschaft zu verkünden?
2. Wieso lehnt Umar es ab, dem Propheten Folge zu leisten?
Offenbar ist die Interpretation der oben genannten Koranverse selbst zum Zeitpunkt des baldigen Todes des Propheten nicht klar gewesen!
Alle Übersetzungen stammen von Paret
Weiterführendes:
http://islam.alrahman.de/27_gehorchtdemgesandten.htm