Eine im Koran sehr interessante Geschichte ist die über Moses und einen Diener Gottes. Dieser Diener wird nicht näher benannt, doch es wurde ihm Wissen von Gott gegeben.
Dann fanden sie einen Unserer Diener, dem Wir Unsere Barmherzigkeit verliehen und den Wir Unser Wissen gelehrt hatten. [18:65]
Moses sagte zu ihm: „Darf ich dir folgen, auf daß du mich über das rechte Handeln belehrest, wie du gelehrt worden bist?“ [18:66]
Er sagte: „Du vermagst nimmer bei mir in Geduld auszuharren. [18:67]
Und wie könntest du bei Dingen geduldig sein, von denen dir keine Kunde gegeben worden ist?“ [18:68]
Er sagte: „Du wirst mich, so Allah will, geduldig finden, und ich werde gegen keinen deiner Befehle ungehorsam sein.“ [18:69]
Er sagte: „Nun gut. Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“ [18:70]
So machten sich beide auf den Weg, bis sie in ein Schiff stiegen, in das er ein Loch schlug. Er (Moses) sagte: „Schlugst du ein Loch hinein, um seine Mannschaft zu ertränken? Wahrlich, du hast etwas Schreckliches begangen!“ [18:71]
Er sagte: „Habe ich nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:72]
Er (Moses) sagte: „Stelle mich nicht meines Vergessens wegen zur Rede, und sei deswegen nicht streng mit mir.“ [18:73]
So zogen sie weiter, bis sie einen Jüngling trafen, den er erschlug. Er (Moses) sagte: „Hast du einen unschuldigen Menschen erschlagen, ohne daß (er) einen anderen (erschlagen hätte)? Wahrlich, du hast etwas Verabscheuliches getan!“ [18:74]
Er sagte: „Habe ich dir nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:75]
Er (Moses) sagte: „Wenn ich dich nochmal nach etwas frage, so begleite mich nicht weiter; von mir aus wärst du dann entschuldigt.“ [18:76]
So zogen sie weiter, bis sie bei den Bewohnern einer Stadt ankamen und von ihnen Gastfreundschaft erbaten; diese aber weigerten sich, sie zu bewirten. Nun fanden sie dort eine Mauer, die einzustürzen drohte, und er richtete sie auf. Er (Moses) sagte: „Wenn du es gewollt hättest, hättest du einen Arbeitslohn dafür erhalten können.“ [18:77]
Er sagte: „Dies führt zur Trennung zwischen mir und dir. Doch will ich dir die Bedeutung von dem sagen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest. [18:78]
Was das Schiff anbelangt, so gehörte es armen Leuten, die auf dem Meer arbeiteten, und ich wollte es beschädigen; denn hinter ihnen war ein König, der jedes Schiff beschlagnahmte. [18:79]
Und was den Jüngling anbelangt, so waren seine Eltern Gläubige, und wir fürchteten, er könnte Schmach durch Widersetzlichkeit und Unglauben über sie bringen. [18:80]
So wollten wir, daß ihr Herr ihnen zum Tausch (ein Kind) gebe, das redlicher als dieses und anhänglicher wäre. [18:81]
Und was nun die Mauer anbelangt, so gehörte sie zwei Waisenknaben in der Stadt, und darunter lag ein Schatz für sie (verborgen), und ihr Vater war ein rechtschaffener Mann gewesen; so wünschte dein Herr, daß sie ihre Volljährigkeit erreichen und ihren Schatz heben mögen – als eine Barmherzigkeit deines Herrn; und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen. Das ist die Bedeutung dessen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest.“ [18:82]
18:65 فوجدا عبدا من عبادنا ءاتينه رحمه من عندنا وعلمنه من لدنا علما
18:66 قال له موسي هل اتبعك علي ان تعلمن مما علمت رشدا
18:67 قال انك لن تستطيع معي صبرا
18:68 وكيف تصبر علي ما لم تحط به خبرا
18:69 قال ستجدني ان شاء الله صابرا ولا اعصي لك امرا
18:70 قال فان اتبعتني فلا تسءلني عن شيء حتي احدث لك منه ذكرا
18:71 فانطلقا حتي اذا ركبا في السفينه خرقها قال اخرقتها لتغرق اهلها لقد جيت شيءا امرا
18:72 قال الم اقل انك لن تستطيع معي صبرا
18:73 قال لا تواخذني بما نسيت ولا ترهقني من امري عسرا
18:74 فانطلقا حتي اذا لقيا غلما فقتله قال اقتلت نفسا زكيه بغير نفس لقد جيت شيءا نكرا
18:75 قال الم اقل لك انك لن تستطيع معي صبرا
18:76 قال ان سالتك عن شيء بعدها فلا تصحبني قد بلغت من لدني عذرا
18:77 فانطلقا حتي اذا اتيا اهل قريه استطعما اهلها فابوا ان يضيفوهما فوجدا فيها جدارا يريد ان ينقض فاقامه قال لو شيت لتخذت عليه اجرا
18:78 قال هذا فراق بيني وبينك سانبيك بتاويل ما لم تستطع عليه صبرا
18:79 اما السفينه فكانت لمسكين يعملون في البحر فاردت ان اعيبها وكان وراءهم ملك ياخذ كل سفينه غصبا
18:80 واما الغلم فكان ابواه مومنين فخشينا ان يرهقهما طغينا وكفرا
18:81 فاردنا ان يبدلهما ربهما خيرا منه زكوه واقرب رحما
18:82 واما الجدار فكان لغلمين يتيمين في المدينه وكان تحته كنز لهما وكان ابوهما صلحا فاراد ربك ان يبلغا اشدهما ويستخرجا كنزهما رحمه من ربك وما فعلته عن امري ذلك تاويل ما لم تسطع عليه صبرا
Bei dieser Geschichte handelt es sich um die Verdeutlichung genau einer Sache, nämlich dass nichts so sein muss, wie es auf den ersten Blick scheint. Dies zu berücksichtigen hilft zu erkennen, dass der Mensch gar nicht in der Lage ist, die Geschehnisse, auf die er keinen Einfluss hat in ihrer letzten Konsequenz als gut oder schlecht zu bewerten. Gott steuert alles und es kann auch sein, dass eine augenscheinlich schlechte Tat in sich einen guten Kern trägt. Dies zu begreifen ist sehr schwierig, vor allem dann, wenn man bereits über ein festgefügtes Weltbild verfügt und einem der Blick für das Verborgene fehlt? Selbst die Propheten kennen nicht das verborgene. Dies ist nur Gott bekannt und denjenigen, denen er dieses Wissen zu Teil werden lässt. Dies verdeutlicht auch die allegorische Bedeutung dieser Geschichte, denn niemand von uns kann behaupten, er habe Kenntnisse über das Verborgene. Meist sind wir Betroffene und Beobachter: wir sehen, dass ein Kind stirbt und halten es für ein grundsätzlich negatives Ereignis. Dies ist es auch, doch nicht im Lichte der Barmherzigkeit Gottes, denn womöglich wird dadurch ein noch viel größeres Leid verhindert.
Überlegen wir einmal: Der Fremde tötet einen Jüngling. Entweder ist der Jüngling ein guter Mensch, so erwartet er das Paradies und ist aller Prüfungen ledig. Für ihn eine an sich positive Situation. Dies sollten – bei aller Trauer – auch die Eltern nicht vergessen. Doch ist er ein schlechter Mensch, so ist sein Tod letztlich doch eine Erleichterung für die Eltern, die sie auf Grund des Trennungsschmerzes gar nicht wahrnehmen können, doch wird sie Gott letztlich darüber informieren, worüber sie sich grämten.
Der eine oder andere übereifrige Gläubige mag möglicherweise nun dazu neigen in einer solchen Geschichte eine Aufforderung dazu sehen, plötzlich Dinge zu zerstören oder gar Menschen zu töten, wenn er bestimmte Dinge bzw. Situation erwartet. Dies wäre jedoch eine grundfalsche Interpretation, denn es besteht ein Unterschied zwischen der Kenntnis und der Vermutung. In Vers 65 erfahren wir, dass der Fremde Wissen von Allah hatte. Wie anders hätte er erahnen können, wem das Schiff gehört und dass ein König Schiffe beschlagnahmt? Er wusste es nicht, doch Allah wusste dies.
Ebenso verhält es sich mit dem Jüngling. An dieser Stelle wird sogar der Pluralis Majestatis (18:80) benutzt, während ein Vers zuvor der Fremde noch auf eigene Faust handelt, wenn er das Schiff zerstört. Man kann also sagen, dass in Vers 79 das Wissen durch eigene Taten genutzt wird, für die kein direkter Befehl Gottes vorhanden ist, während in Vers 80 der Fremde lediglich den Befehl Gottes ausführt.
Denselben Fall haben wir bei dem Schatz. Es wäre Anmaßend gewesen für den Fremden, zu entscheiden, ob nun der Vater oder die Kinder den Schatz finden sollten, da er nicht weiß, was die Zukunft bringt. Womöglich wäre der Vater ob des Reichtumes dem Konsum verfallen und hätte alles verschwendet. Doch der Fremde stellt klar, dass er auch hier nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hat:
„[…]und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen.[…]“
Damit wird noch einmal ganz deutlich, dass diese Geschichte nur eine Parabel ist, die uns Demut gegenüber den Entscheidungen des Herrn lehrt. Ohne diese Demut würden wir es bei unserem Herrn nämlich nicht aushalten können, weil wir daran verzweifeln würden, da wir es nicht greifen können. Wir stranden stattdessen bei der Frage, wieso Gott „Böses“ zulässt. Wieso er uns dieses oder jenes antut. Doch in Wahrheit ist es nur unser Denken, dass es zu etwas Bösem macht, doch alles, was Allah bestimmt ist in letzter Konsequenz doch gut und irgendwann wird Gott uns dies Deutlich machen, so wie der Fremde es auch Moses verspricht:
„[…]Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“