Der Naturforscher Charles Darwin geriet in im Zuge seiner Forschungen in Gewissensnöte ob der Tatsache, dass Leid existiert. Dies nicht nur unter Menschen, sondern auch im Tierreich. Eine solche Realität erschien ihm und seinem Gottesbild eines liebenden Gottes als innerer Widerspruch und mündet im allgemein bekannten Theodizee-Problem. Er schrieb in seinen Brief an Asa Gray:
With respect to the theological view of the question. This is always painful to me. I am bewildered. I had no intention to write atheistically. But I own that I cannot see as plainly as others do, and as I should wish to do, evidence of design and beneficence on all sides of us. There seems to me too much misery in the world. I cannot persuade myself that a beneficent and omnipotent God would have designedly created the Ichneumonidae with the express intention of their feeding within the living bodies of Caterpillars, or that a cat should play with mice. Not believing this, I see no necessity in the belief that the eye was expressly designed.
Nun zur theologischen Seite der Frage. Dies ist mir immer peinlich. Ich bin verunsichert. Ich hatte nicht die Absicht, atheistisch zu schreiben. Aber ich gebe zu, dass ich nicht so deutlich, wie es andere sehen und wie ich es selbst gerne sehen würde, rings um uns her Beweise für Zweckbestimmung und Güte zu erkennen vermag. Es scheint mir zuviel Elend in der Welt zu geben. Ich kann mich nicht dazu überreden, dass ein gütiger und allmächtiger Gott mit Absicht die Schlupfwespen erschaffen haben würde mit dem ausdrücklichen Auftrag, sich im Körper lebender Raupen zu ernähren, oder dass eine Katze mit Mäusen spielen soll. Da ich daran nicht glaube, sehe ich auch keine Notwendigkeit in dem Glauben, dass das Auge bewusst geplant war.
Zitiert nach http://www.payer.de/religionskritik/darwin01.htm
Die obige Problematik bzw. die Fragestellung nach der Güte Gottes erscheint auf den ersten Blick glasklar und in ihrem Fokus auf die von Gott gelenkte Welt der Tiere als brillante Argumentation der Religionskritik, die sich auch Richard Dawkins zu eigen gemacht hat.
Ist es nun also in der Tat so, dass die Brutalität der Natur ein Beleg ist, der gegen die Existenz eines barmherzigen Gottes spricht?
Zunächst ist es ein Trugschluss zu glauben die Welt, in der wir leben sei das Paradies oder perfekt – wobei hierbei Wert darauf zu legen ist, dass „perfekt“ in diesem Falle das ist, was der Mensch für perfekt hält. Ob dies wirkliche Perfektion im göttlichen Sinne ist, kann der Mensch nicht beurteilen. Ein Beispiel soll dies illustrieren: wenn ich meine Sohn einen Papierflieger bastle, der zwar fliegt, aber nicht „perfekt“, was dann dazu führt, dass mein Sohn einen besseren Papierflieger bastelt, dann ist mein Flieger auf seiner Ebene durchgefallen, aber auf der meinen war er perfekt dafür geeignet um die Kreativität meines Sohnes zu fördern. Mein Sohn wird dies mit seinen jungen Jahren jedoch nicht begreifen können.
Wie ist dies nun also in Bezug auf die Schöpfung zu verstehen? Die Schöpfung ist nicht primär dazu da zu gefallen oder in unserem Sinne „schön“ zu sein. Sie soll uns etwas zeigen:
In der Schöpfung der Himmel und der Erde; im Unterschied von Nacht und Tag; in den Schiffen, die das Meer befahren mit dem, was den Menschen nützt; darin, daß Allah Wasser vom Himmel herabkommen läßt, und damit dann die Erde nach ihrem Tod wieder lebendig macht und auf ihr allerlei Tiere sich ausbreiten läßt; und im Wechsel der Winde und der Wolken, die zwischen Himmel und Erde dienstbar gemacht sind, sind wahrlich Zeichen für Leute, die begreifen. (2:164)
ان فى خلق السموت والارض واختلف اليل والنهار والفلك التى تجرى فى البحر بما ينفع الناس وما انزل الله من السماء من ماء فاحيا به الارض بعد موتها وبث فيها من كل دابة وتصريف الريح والسحاب المسخر بين السماء والارض لءايت لقوم يعقلون
Die Frage, die wir uns entsprechend stellen müssen ist nicht, wieso Gott dieses oder jenes tut, sondern, wie wir damit umgehen:
Er wird nicht befragt nach dem, was Er tut; sie aber werden befragt. (21:23)
لا يسل عما يفعل وهم يسلون
Die Beurteilung der Schöpfung ist ebenfalls eine Frage der Sichtweise auf das, was wir als Realität verstehen. Wie real sind die Geschehnisse in einem Buch, einem Film oder einen Programm? Leiden die Pixel eines Ego-Shooters, wenn sie von ebenso pixeligen Kugeln getroffen werden? Und was noch viel wichtiger ist? Erleben die Tiere das Leid freiwillig oder unfreiwillig? Sind sich Tiere ihrer Position als Zeichen womöglich bewusster, als wir annehmen wollen?
Jede Seele wird den Tod kosten. Und Wir prüfen euch mit Schlechtem und Gutem als Versuchung. Und zu Uns werdet ihr zurückgebracht. (21:35)
كل نفس ذائقة الموت ونبلوكم بالشر والخير فتنة والينا ترجعون
Das Gute oder das Schlechte muss nicht nur direkt uns zustoßen. Vielleicht stößt es auch anderen Menschen und Tieren zu um uns auf die Probe zu stellen, denn dieses Leben ist nicht das wirkliche Leben:
O mein Volk, dieses irdische Leben ist nur Nießbrauch; das Jenseits aber ist die Wohnstätte zum (bleibenden) Aufenthalt. (40:39)
يقوم انما هذه الحيوة الدنيا متع وان الءاخرة هى دار القرار
Unter dem Eindruck der obigen Verse des Koran bleibt keine andere Wahl, als anzuerkennen, dass alles einen Sinn hat, der dem Menschen dient, der ihm die wahren Belange aufzeigen soll und er sich nicht abhängig machen soll von der wahrgenommenen Realität des Diesseits. Alles unterwirft sich dem Willen Gottes und ohne die Kenntnisnahme von Leid bliebe die Dankbarkeit für das Gute auf der Strecke und eine leere Hülse.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal konkret auf die Sorgen, die Darwin anführt eingehen und diese ein wenig relativieren:
1. Das Spiel der Katzen ist interessanterweise vor allem bei Hauskatzen zu beobachten, die eine domestizierte Form der Wildkatze darstellen. Es wurde folglich in Gottes Schöpfung manipulierend eingegriffen.
Die zweite Spielform ist das „Stauungsspiel“. Es wird von Katzen gezeigt, die längere Zeit kein natürliches Beutetier mehr erhalten haben. Die Katze spielt dann mit der noch lebenden Beute oder mit einem Ersatzobjekt, indem sie das Opfer mit schnellen Tatzenschlägen vor sich hertreibt, es fängt, mit den Zähnen packt und umherträgt, es hochschleudert und mit ausgefahrenen Krallen wieder angelt. Alle diese Bewegungen werden mit übertriebenem Aufwand durchgeführt, der Tötungsbiß dagegen bleibt lange gehemmt.
Dieses „Stauungsspiel“, mit einer manchmal noch lebenden Beute wird vom menschlichen Betrachter als grausam empfunden.
Durch die Tatzenhiebe angeschlagen und benommen, vom Speichel der Katze naß und verklebt, versucht die Maus immer wieder zu entkommen, was ihr in deckungsreichem Gelände manchmal auch gelingt. Die spielende Katze behandelt die Maus jedoch nicht aus „Grausamkeit“ so. Eine Ursache für diese Verhaltensweise ist vielmehr, daß der Antrieb zum Beutefangen intensiver und länger vorhanden ist als der Antrieb zum Beutetöten. Die Katze führt Fanghandlungen aus, selbst wenn sie weder Hunger noch „Lust“ zum Töten hat. Ein weiterer Grund ist, daß sogar bei einer hungrigen Katze, die jedoch lange Zeit keine Gelegenheit zum artgemäßen Beutefang hatte, der Antrieb, artgemäße Fanghandlungen auszuführen, das Bedürfnis oder die Motivation zum Tötungsbiß überlagert und eine Zeitlang unterdrückt. Erst wenn die Katze das Beutetier mehrmals gefangen hat, tötet sie es. Der unausgelebte und daher gewissermaßen aufgestaute Antrieb, Beute zu fangen, führt bei Hauskatzen zu „Stauungsspielen“ mit lebenden Tieren oder sogar mit Ersatzobjekten. Stauungsspiele, die er nach der Art der jeweiligen Bewegung noch in „Haschespiel“ und „Fangspiel“ unterteilt, sind nach Paul Leyhausen bei erwachsenen Wildkatzen weniger zu beobachten als bei Hauskatzen.
2. Die Praxis der Schlupfwespe Eier in betäubte Tiere (Insekten) abzulegen, deren Maden diese dann innerlich langsam auffressen.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/schmerz-lass-nach-wie-gehts-dem-wurm-am-haken-1.912296
Oder wie Dawkins in einem seiner Bücher schreibst: er weiß nicht, ob diese Tiere Schmerzen empfinden können.