Das islamische Strafrecht im Koran wurde ja bereits an anderer Stelle behandelt1. Da wir dort gesehen haben, daß maximale Gerechtigkeit das oberste Gebot ist, soll dies anhand der Strafe für Mord näher beleuchtet werden.
Betrachten wir uns also die relevanten Verse:
Sure 2 Vers 178 „Ihr Gläubigen! Bei Totschlag ist euch die Wiedervergeltung vorgeschrieben: ein Freier für einen Freien, ein Sklave für einen Sklaven und ein weibliches Wesen für ein weibliches Wesen. Und wenn einem (der einen Totschlag begangen hat) von seiten seines Bruders (dem die Ausübung der Wiedervergeltung obliegt) etwas nachgelassen wird, soll die Beitreibung (des Blutgeldes durch den Rächer) auf rechtliche und (umgekehrt) die Bezahlung an ihn auf ordentliche Weise vollzogen werden. Das ist (gegenüber der früheren Handhabung der Blutrache) eine Erleichterung und Barmherzigkeit von seiten eures Herrn. Wenn nun aber einer, nachdem diese Regelung getroffen ist, eine Übertretung begeht (indem er sich an die frühere Sitte der Blutfehde hält), hat er (im Jenseits) eine schmerzhafte Strafe zu ewarten.“ (Paret)
Dieser Vers lehrt uns – ähnlich wie bereits in der Bibel geschrieben steht2, daß bei Wiedervergeltung das Maß eingehalten werden soll, dient also der Eindämmung der vorislamischen Blutrache, die oftmals ganze Stämme vernichtet haben soll. Laut diesem Vers ist es nämlich ganz und gar unmöglich, daß z.B. eine Frau, die einen Mann tötet, die Todesstrafe erleiden muß, da Mann und Frau in ihrem Wert für die Gesellschaft unterschiedlich sind – es sei hervorgehoben, daß es hierbei keine Wertung gibt, wer nun mehr Wert sei, denn dies ist individuell verschieden. Der menschlich-seelische Verlust ist selbstverständlich identisch! Nicht umsonst heißt es in Sure 5 Vers 32:
„Aus diesem Grund haben wir den Kindern Israel vorgeschrieben, daß, wenn einer jemanden tötet, (und zwar) nicht (etwa zur Rache) für jemand (anderes, der von diesem getötet worden ist) oder (zur Strafe für) Unheil (das er) auf der Erde (angerichtet hat), es so sein soll, als ob er die Menschen alle getötet hätte. Und wenn einer jemanden am Leben erhält, soll es so sein, als ob er die Menschen alle am Leben erhalten hätte. Und unsere Gesandten sind doch (im Lauf der Zeit) mit den klaren Beweisen (baiyinaat) zu ihnen gekommen. Aber viele von ihnen gebärden sich nach alledem maßlos (indem sie) auf der Erde (Unheil anrichten) (fie l-ardi la-musrifuuna).“ (Paret)
Wir können also ganz klar sehen, daß der Tod eines Menschen prinzipiell den gleichen Wertverlust darstellt, jedoch wird unterschieden bezüglich des Schadens, der noch darüber hinaus den Hinterbliebenen entsteht. Es wäre ungerecht, wenn z.B. der Ernährer einer Familie den Nichternährer einer anderen Familie tötet, im Gegenzug als Wiedervergeltung jedoch der Ernährer getötet wird, da man damit letztlich die Angehörigen des Mörders mehr schädigt, als der Mörder schaden angerichtet hat. Aus diesem Grunde nennt der Koran als weitere Möglichkeit der Wiedervergeltung die Zahlung des sogenannten Blutgeldes, um die Schädigung der Hinterbliebenen aufzufangen. Die Hinterbliebenen haben also die Wahl zwischen der Forderung des Todes des Mörders oder der Zahlung einer Blutschuld, bzw. ist die Zahlung der Blutschuld die einzige Option um Gerechtigkeit herzustellen. In Sure 5 Vers 45 legt der Koran nahe, auf die Wiedervergeltung zu verzichten:
„Wir haben ihnen darin vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr, Zahn um Zahn, und Verwundungen (ebenso. In allen Fällen ist) Wiedervergeltug (vorgeschrieben). Wenn aber einer Almosen damit gibt (indem er auf die Ausübung der Wiedervergeltung verzichtet), dann sei ihm das eine Sühne (für Vergehen, die er sich hat zuschuldenkommen lassen)! Diejenigen, die nicht nach dem entscheiden, was Allah (in der Schrift) herabgesandt hat, sind die (wahren) Frevler.“ (Paret)
Dies wohl deswegen, weil es sich bei der direkten Wiedervergeltung eher um eine gefühlte Gerechtigkeit handelt, da auch durch den Tod des Mörders nur für den Mörder die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird, während die Familie nur ein subjektives Gefühl der Gerechtigkeit erfährt, während im Falle des Blugeldes der Mörder selbst den entstandenen materiellen (nicht seelischen) Schaden der Familie ausgleicht.
Es sei noch einmal hervorgehoben, daß bei Reue keine maximale Schuld mehr vorliegt und folglich auch die Höchststrafe nicht mehr umsetzbar ist:
Sure 5 Vers 39: „Und wer nach seiner Übertretung bereut und gottgefällig Gutes tut, von dem wird Allah zweifellos die Reue annehmen. Gewiß, Allah ist allvergebend, allgnädig.“ (Zaidan)
Dies enthebt den Staat jedoch nicht von der Möglichkeit einer Sicherheitsverwahrung oder ähnlichen erzieherischen Maßnahmen.
Lesen Sie dazu auch: „Das Strafrecht im Koran“
1 http://meine-islam-reform.de/index.php/artikel/34-koran/49-das-strafrecht-im-koran.html
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Auge_f%C3%BCr_Auge