Sicherlich kennen viele die Verse des Koran, die vom Thron Gottes berichten. Doch sitzt Gott wirklich auf einem Thron, so wie ein Mensch auf einem Thron sitzt? Und wie muss man sich diesen Thron vorstellen.
Zur Einleitung zunächst der bekannteste Vers, der sich mit dem Thron Gottes befasst, der sogenannte Thronvers Ayat-ul-kursi:
Allah – kein Gott ist da außer Ihm, dem Ewiglebenden, dem Einzigerhaltenden. Ihn ergreift weder Schlummer noch Schlaf. Ihm gehört, was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Wer ist es, der bei Ihm Fürsprache einlegen könnte außer mit Seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen und was hinter ihnen liegt; sie aber begreifen nichts von Seinem Wissen, es sei denn das, was Er will. Weit reicht Sein Thron über die Himmel und die Erde, und es fällt Ihm nicht schwer, sie (beide) zu bewahren. Und Er ist der Hohe, der Erhabene. (2:255) (Rasul)
الله لا اله الا هو الحى القيوم لا تاخذه سنة ولا نوم له ما فى السموت وما فى الارض من ذا الذى يشفع عنده الا باذنه يعلم ما بين ايديهم وما خلفهم ولا يحيطون بشىء من علمه الا بما شاء وسع كرسيه السموت والارض ولا يوده حفظهما وهو العلى العظيم
Für das Verständnis dieses Verse sind zwei Teile relevant:
1. كرسي
Die Wurzel dieses Begriffes lautet kāf rā sīn (ك ر س) und hat die folgenden Bedeutungsebenen:
To found (a building); to gather. (ku-r-si) the chair, the throne, dominion or power.
Es ist ersichtlich, dass es sich hierbei nicht unbedingt um ein Möbelstück, sondern auch um einen Herrschaftsbereich handeln kann. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in den Übersetzungen von Muhammad Asad und Rashad Khalifa wieder:
GOD – there is no deity save Him, the Ever-Living, the Self-Subsistent Fount of All Being. Neither slumber overtakes Him, nor sleep. His is all that is in the heavens and all that is on earth. Who is there that could intercede with Him, unless it be by His leave? He knows all that lies open before men and all that is hidden from them, whereas they cannot attain to aught of His knowledge save that which He wills [them to attain]. His eternal power overspreads the heavens and the earth, and their upholding wearies Him not. And he alone is truly exalted, tremendous. (Asad)
GOD: there is no other god besides Him, the Living, the Eternal. Never a moment of unawareness or slumber overtakes Him. To Him belongs everything in the heavens and everything on earth. Who could intercede with Him, except in accordance with His will? He knows their past, and their future. No one attains any knowledge, except as He wills. His dominion encompasses the heavens and the earth, and ruling them never burdens Him. He is the Most High, the Great. (Khalifa)
Muhammad Asad erwähnt hierzu in seinem Kommentar:
Lit., „His seat [of power]“. Some of the commentators (e.g., Zamakhshari) interpret this as „His sovereignty“ or „His dominion“, while others take it to mean „His knowledge“ (see Muhammad `Abduh in Manar III, 33); Razi inclines to the view that this word denotes God’s majesty and indescribable. eternal glory.
2. وسع
Hierbei handelt es sich um die Wurzel wāw sīn ʿayn (و س ع).
to be ample, take in, comprehend, embrace.
Wasi’a (prf. 3rd. m. sing.): Extended; Comprehended.
Wasi’at (prf 3rd. p. f sing.): Embraces.
Wasi’ta (prf 2nd. p. m. sing.): Thou comprehended.
Sa’atun (v. n.): Abundance; Amplitude; Bounty.
Waasi’un (act. pic. m. sing.): Bountiful; All-Pervading.
Al-Waasi’un: one of the names of God.
Wasi’atun (act. pic. f. sing.): wide, spacious.
Muus’i (ap-der. m. sing. vb. IV): maker of the vast extant.
Wus’un (n.): capacity, scope.
Wie zu sehen, wird der Begriff in diesem Vers in der 3. Person singular masklulinum benutzt. Das heißt, dass etwas ausgedehnt wird oder auch umfasst wird.
Auf Grund dieser beiden Begriffe ist es unwahrscheinlich, dass wir es hier mit einem herkömmlichen Stuhl zu tun haben. Weder kann ein Stuhl etwas ausdehnen noch es umfassen. Der Thronvers wäre also im Deutschen eher so zu übersetzen:
Allah – kein Gott ist da außer Ihm, dem Ewiglebenden, dem Einzigerhaltenden. Ihn ergreift weder Schlummer noch Schlaf. Ihm gehört, was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Wer ist es, der bei Ihm Fürsprache einlegen könnte außer mit Seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen und was hinter ihnen liegt; sie aber begreifen nichts von Seinem Wissen, es sei denn das, was Er will. Seine Allmacht dehnt und umfasst Himmel und Erde und es fällt Ihm nicht schwer, sie (beide) zu bewahren. Und Er ist der Hohe, der Erhabene.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Vers, der denselben Begriff für „Thron“ benutzt, nämlich Sure 34 Vers 38:
Und wahrlich, Wir stellten Salomo auf die Probe, und Wir setzten einen Leib auf seinen Thron. Dann bekehrte er sich. (Rasul)
ولقد فتنا سليمن والقينا على كرسيه جسدا ثم اناب
Um diesen Vers zu verstehen ist ein weiterer Begriff wichtig, nämlich: القي
Dieses Wort besitzt die Wurzel lām qāf yā (ل ق ي)
To meet, meet with, encounter, find, find out a thing, see, come across, experience, suffer from, occur, undergo, endure, lean upon, recieve, come face to face, go in the direction of or towards.
Es ist ersichtlich, dass die Übersetzung „setzen“ eindeutig bereits eine Interpretation ist, die auf einen Stuhl zugeschneidert wurde. Richtiger wäre es zu sagen, dass etwas zu einer bestimmten Sache gebracht wird bzw. gelangt. Insofern scheint es auch hier angezeigt, dass es hierbei weniger um einen Stuhl geht, als vielmehr um die Übergabe der Macht Salomos an einen schwachen Körper bzw. den Machtverlust Salomos. Aufschlussreich ist auch hier der Kommentar von Muhammad Asad:
To explain this verse, some of the commentators advance the most fantastic stories, almost all of them going back to Talmudic sources. Razi rejects them all, maintaining that they are unworthy of serious consideration. Instead, he plausibly suggests that the „body“ (jasad) upon Solomon’s throne is an allusion to his own body, and – metonymically – to his kingly power, which was bound to remain „lifeless“ so long as it was not inspired by God-willed ethical values. (It is to be borne in mind that in classical Arabic a person utterly weakened by illness, worry or fear, or devoid of moral values, is often described as „a body without a soul“.) In other words, Solomon’s early trial consisted in his inheriting no more than a kingly position, and it rested upon him to endow that position with spiritual essence and meaning.
Es existieren im Koran jedoch noch weitere Verse, die sich mit einem Thron beschäftigen. Dazu ist zu sagen, dass diesbezüglich alle Kommentatoren der Meinung sind, dass es sich hierbei um eine Metapher handelt:
Der Thron ist selbstverständlich metaphorisch zu verstehen, ein Symbol für Autorität, Macht und Aufmerksamkeit, ebenso wie „Kursi“ (Stuhl, Thron) in Suura 2:255. Kursi bezieht sich vielleicht mehr auf Majestät, während sich diese Bezeichnung sich mehr auf Macht bezieht, und diese leicht verschiedenen Bedeutungen erläutern die beiden Abschnitte. Hier wird uns mitgeteilt, dass Himmel und Erde an sechs Tagen erschaffen wurden. Damit wir jedoch nicht von der jüdischen Vorstellung beunruhigt werden, Allah habe am siebten Tag geruht, wird hier gesagt, dass die Schöpfung nur ein Auftakt zu Allahs Wirken war. denn Seine Macht wirkt ständig durch die Gesetzmäßigkeiten, die Er eingesetzt hat und überall in Seiner Schöpfung zur Geltung bringt. Das schöne Bild von Tag und Nacht, die einander in schneller Folge abwechseln, wird im Arabischen weiter verstärkt durch den doppelten Akkusativ, der mit dem Verb „judschsi“ verbunden ist, wodurch die Interaktion von Tag und Nacht hervorgehoben wird. Die Himmelskörper zeigen eine Ordnung, die Seine ständige Lenkung und Fürsorge beweisen. Darüber hinaus ist Er es allein, Der schafft, erhöht und regiert, kein anderer. (Juusuf ‚Allii)
Allah, Der dieses, in seiner Größe und Pracht imponierende Dasein erschaffen hat, und Der sich dieses Daseins bemächtigt, es durch Seinen Befehl und Beschluss lenkt und verwaltet, ist Der, Der Tag und Nacht einander ständig folgen lässt. Er ist Derjenige, Der es verdient, „euer Herr“ zu sein, Der euch auf Seinem Weg erzieht und euch unter Seiner Ordnung vereint und mit Seinem Gesetz zwischen euch urteilt. (Qutb)
Die Konjunktion ’SUmmach, die diesen Satzteil einleitet, bedeutet nicht immer zeitlich später („dann“ oder „danach“). In Fällen, wo sie Parallelaussagen miteinander verbinden soll, hat sie die Funktion einer einfachen Konjunktion („und“), wie beispielsweise auch in Suura 2:29.
Was den Begriff „Thron“ oder „Herrschaftssitz“ betrifft, so sind alle muslimischen Kommentatoren, die klassischen wie die modernen, einstimmig der Ansicht, dass sein metaphorischer Gebrauch im Qur’an Allahs absolute Herrschaft über alle Seine Geschöpfe ausdrücken soll. Anmerkenswert ist, dass in allen sieben Fällen, wo im Qur’an von Allah gesagt wird, Er „habe sich auf dem Thron Seiner Allmacht niedergelassen“, (Suuras 7:54; 10:3; 13:2; 20:5; 25:59; 32:4 und 57:4) diese Ausdrucksweise mit der Erklärung verbunden ist, dass Er das Universum erschaffen hat. (Asad)
Dennoch möchte ich gerade bei den Versen, die sich mit der Schöpfung und dem Thron beschäftigen etwas Interessantes hervorheben:
Er ist es, Der die Himmel und die Erde in sechs Tagen erschuf, und Sein Thron war auf dem Wasser, damit Er euch prüfe (und feststelle), wer von euch die besten Taten begeht. Und wenn du sagst: „Ihr werdet nach dem Tod auferweckt werden“, sagen diejenigen, die ungläubig sind, ganz gewiß: „Das ist ja nur deutliche Zauberei.“ (Bubenheim)
وهو الذى خلق السموت والارض فى ستة ايام وكان عرشه على الماء ليبلوكم ايكم احسن عملا ولىن قلت انكم مبعوثون من بعد الموت ليقولن الذين كفروا ان هذا الا سحر مبين
Der Begriff der mit Thron übersetzt wurde lautet عرش
Die Wurzel hierzu ist ʿayn rā shīn (ع ر ش):
to construct/build, make trellis (for grape-wine), make a vine-stalk, roof, raise (a house or structure), settle. ‚arshun – throne, arbour, pavillion, roof, power, dominion, sovereignty
http://www.studyquran.org/LaneLexicon/Volume5/00000284.pdf
Ein weiteres relevantes Wort ist على
Dies wurde hier mit „auf“ übersetzt, kann aber auch „durch“ bedeuten. Wenn wir also nun annehmen, dass es nicht um „auf“, sondern um „durch“ geht, so ergibt dies dahingehend Sinn, dass das Reich Gottes durch Wasser kam. Dieser Gedanke wird gestützt durch Sure 21 Vers 30:
Haben die Ungläubigen nicht gesehen, daß die Himmel und die Erde eine Einheit waren, die Wir dann zerteilten? Und Wir machten aus dem Wasser alles Lebendige. Wollen sie denn nicht glauben? (Rasul)
اولم ير الذين كفروا ان السموت والارض كانتا رتقا ففتقنهما وجعلنا من الماء كل شىء حى افلا يومنون
Interessant an dieser Stelle der Kommentar von Asad:
As regards my rendering of ayyam (lit., „days“) as „aeons“ and `arsh as the „throne of [God’s] almightiness“, see Surah 7, note 43. The symbolic reference to „the throne of His almightiness resting upon water“ would seem to point to the God-willed evolution of all life out of water -a fact clearly brought out by the Qur’an (see 21:30 and the corresponding note 39) and in modern times confirmed by biological research. This tentative interpretation is strengthened by the mention, in the preceding verse, of „living creatures“. My interpolation, between brackets, of the phrase „ever since He has willed to create life“ is in accordance with the views advanced by Rashid Rida‘ in his lengthy commentary on this verse (Manar XII, 16 ff.).
Zum besseren Verständnis zum Abschluss noch die Übersetzung von Shabbir Ahmed:
He created the heavens and earth in six stages and established Himself on the Throne of His Almightiness. He has Supreme Control over the origination of life which began in water (21:30). Life is a test for yourselves to see which of you leads a balanced life and is best in conduct. Yet, if you (O Prophet!), say, „You will be raised again after death,“ those who deny the truth will surely say, „This is nothing but manifest sorcery!“