Allgemein wird in den islamischen Geschichtswerken überliefert, dass der Prophet Muhammed (s) im Alter von 40 Jahren die ersten Offenbarungen der Sure Alaq 1-5 im Monat Ramadan von Gott erhielt (Der Islam, Kultur und Geschichte-Wirtschaft und Wissenschaft, S. 25-26).
Die Gesellschaft in der er hineingeboren wurde, hatte überwiegend einen polytheistischen Glauben. Es wird auch berichtet, dass zu jenen Tagen der al-Dschahiliyya (Zeit der Unwissenheit) allein in der Kaaba 360 Götzen untergebracht und verehrt wurden (Malcolm Clark, Islam für Dummies, S. 98).
Doch, was war vor seiner Berufung als Gesandter Gottes? War Muhammed (s) von klein an immer ein Gott- Verehrer? Die überwiegende Mehrheit der muslimischen Historiker geht davon aus, dass der Prophet von Geburt an von Gott rechtgeleitet wurde.
Der andalusische Historiker Al-Kilai (gest. 1237) berichtet: „Wakidi überlieferte von Suleyman ibn Suhaim Folgendes: In Mekka befand sich ein Jude namens Yusuf. Er sagte am Tag der Geburt des Propheten noch bevor die Quraisch, also die Mekkaner davon erfuhren: „Oh Quraisch, heute kam der Prophet eurer Gemeinschaft zur Welt. Nachdem der Jude dies sagte, begann er herauszufinden, ob an diesem Tag in Mekka ein Kind zur Welt gekommen war. Schließlich kam er zur Sippe Abdulmuttalibs und erfuhr, dass hier ein Bub geboren worden war. Daraufhin sagte er: „Bei der Torah, dieser Junge ist ein Prophet“ (Al-Iktifa, Bd. 1, S. 167).
Auf eine Frage, ob der Prophet auch vor der Zeit der Offenbarung nur den einen Gott verehrte, antwortet der islamische Gelehrte Said Nursi (gest. 1960) folgendes: „ Er betete entsprechend der alten religiösen Tradition, so wie sie sich hinter vielen Schleiern verborgen in Arabien seit der Zeit des Ehrenwerten Ibrahim (a), erhalten hatte. Dies geschah damals jedoch nicht als Pflicht (fard) oder Zwang, sondern freiwillig und aus seiner eigenen positiven Haltung zum Gebet heraus“ (Briefe, S. 520).
Eine Rekonstruktion der schriftlichen Quellen vor der Offenbarungszeit, weist prekäre Lücken auf. Auch die Primärquellen geben keine eindeutige Hinweise darüber, welche Religion Muhammed (s) als jugendlicher ausführte (siehe hierzu: Mehmet Azimli, Siyeri farkli okumak, S. 106).
Der indische Theologe Professor Muhammed Hamidullah (gest. 2002) musste sogar eingestehen, dass jedwede Informationen vor dem 40. Lebensjahr von Muhammed (s) nicht lückenlos zu erschließen ist. Interessanterweise vertritt Hamidullah dennoch die Ansicht: „Über Muhammads religiöse Übungen bis zum Alter von 35 Jahren ist nicht viel bekannt, außer dass er, wie seine Biographen versichern, dass es Mekkaner gab, die ebenso handelten und die sich gegen das im Irrwahn lebende Heidentum auflehnten, obgleich sie vollkommen der Kaaba treu blieben, dem Hause, das Abraham (a) dem Einen Gott geweiht hatte“ (Der Islam, S. 17).
Bekanntlich war Abraham (a) wie der Koran versichert, kein Jude und kein Christ, sondern ein Hanif (Monotheist): „Abraham war weder Jude noch Christ; vielmehr war er lauteren Glaubens (hanifem), ein ergebener, und keiner von denen, die (Gott) Gefährten beigesellen“ (Koran 3:67).
Im 6. Jahrhundert war der Hanifismus in einigen Teilen der arabischen Halbinsel verbreitet gewesen, besonders in den Städten wie Taif und Yathrib (später Madina).
Zu jener Zeit bekannten sich öffentlich vier Männer zu diesem monotheistischen Glauben. Diese waren Waraqa ibn Naufal, Uthman ibn Huwairith, Ubaid Allah ibn Jahsch und Zaid ibn Amr (Martin Lings, Muhammad, sein Leben nach den frühesten Quellen, S. 30-31).
Professor Reza Aslan beschreibt in seinem Buch „Kein Gott außer Gott“ die Begegnung vom zehn jährigen Muhammed (s) mit dem Hanifen Zaid ibn Amr. Aslan lässt keinen Zweifel hegen, dass der junge Muhammed (s) von dessen ur-monotheistischen Gedankenwelt maßgeblich beeinflusst war. Hierfür führt Aslan die folgende Geschichte aus: „Es war, so die Chronisten, ein heißer Tag in Mekka, als Muhammad und sein Freund ibn Haritha aus Taif nach Hause zurückkehrten, wo sie zu Ehren eines der Götterbilder ein Mutterschaf geschlachtet und gebraten hatten. Als die beiden Knaben den oberen Teil des makkanischen Tals durchzogen, begegneten sie Zaid, der entweder als Einsiedler in den Bergen außerhalb von Mekka lebte oder sich eine Zeitlang in die religiöse Versenkung zurückgezogen hatte. Muhammed (s) und ibn Haritha erkannten ihn sogleich, begrüßten den Hanif mit dem Gruß der dschahiliyya (in´am sabahan) und setzen sich, um neben ihm Rast zu machen. Muhammed (s) fragte: „Warum, o Sohn des Amr, bist du bei deinem Volk verhasst“? Sie gesellen dem einen Gott Gottheiten zu, und es widerspricht mir, es ihnen gleich zu tun, erwiderte Zaid. Ich wollte die Religion Abrahams […].
Nach dieser ersten überraschenden Begegnung mit Zaid, sollte Muhammed (s) den Götzenkult in den späteren Jahren ernsthaft in Frage gestellt haben. Weiter führt Aslan an: „Muhammad war so betroffen von Zaids Zurechtweisungen, dass er viele Jahre später, al er die Geschichte erzählte, hinzufügte, er habe seither keines ihrer Idole mehr berührt […] (Kein Gott außer Gott, S. 33-38).
Interessanterweise werden von Professor Aslan keine Primärquellen zu diesem historischen Vorgang aufgeführt. Seine Thesen stützten sich hauptsächlich auf die Arbeit von Jonathan Fueck, „The Originality oft he Arabian Prophet“, in Studies on Islam, herausgegeben von Merlin Swartz (1981).
Als weitere Belegstelle nennt Aslan die Sure al-duha als Hinweis darauf, dass der Prophet vor seinem 40. Lebensjahr auch wie die meisten seines Stammes den Götzenkult vorgelebt haben soll: „Hat Er dich nicht gefunden als Irrenden (dallen) und gab dir Rechtleitung? (Übersetzung nach Milad Karimi, Koran 93:7).
In dem Vers kommt der Begriff „dallen“ vor, dass mit „Irrenden“ wiedergegeben ist. Ibnul –Kelbi (gest. 819) war der Ansicht, dass der Prophet Muhammed (s) vor dem Islam genauso wie die überwiegende Mehrheit seiner Zeitgenossen irregeleitet war (siehe hierzu: Fahreddin er-Razi, Mefatihul´l-Gayb, XXXI, S. 195).
Der katholische Theologe Professor Adel Theodor Khoury kommentiert zu recht, dass die Meinung der muslimischen Exegeten hier deutlich voneinander abweichen. So schreibt Khoury: „Dieser Vers (93:7) hat den muslimischen Kommentatoren einiges Kopfzerbrechen bereitet. Einige wenige von ihnen nehmen den Vers wörtlich und sagen, Muhammad (s) habe der falschen Religion seiner polytheistischen Landsleute vierzig Jahre lang angehangen …“ Der Koran, Übersetzt und kommentiert, S. 574).
In seiner Koranexegese weist auch Abul-Ala Mavdudi darauf hin, dass der Begriff „dallen“ verschiedene Bedeutungen haben kann wie z. B: einen Irrenden oder jemanden, der verwirrt ist und nicht genau weiß, welchen Weg er einschlagen soll (Tefhimul-Kuran, Bd. 7, S. 156-157).
Im islamischen Wörterbuch wird „dalle“ wie folgt beschrieben: „Einer, der den Weg verloren hat; der von der Rechtleitung abgekommen ist (Islami Terimler Sözlügü, S. 93).
Erstaunlicherweise werden diese Begebenheiten in vielen Propheten-Biografien erst gar nicht erwähnt, geschweige denn auf die Problematik der Koranstelle eingegangen: „Hat Er dich nicht gefunden als Irrenden (dallen) und gab dir Rechtleitung? (Koran 93:7).
Selbst in den zeitgenössischen Werken der Koranexegeten wird die Überlieferung von Ibnul-Kelbi (gest. 819) nicht tradiert. Vielmehr wird sie nahezu komplett ausgeblendet. Auch modern kritische Islamwissenschaftler wie Professor Tariq Ramadan, gehen auf die historischen Diskurse nicht ein (siehe hierzu: Auf den Spuren des Propheten, S. 29, 2007). Vermutlich erscheint für die gläubigen Muslime bereits die Vorstellung darüber, dass Muhammed (s) vor seiner Prophetenschaft einen polytheistischen Glauben praktiziert haben soll, ungeheuerlich.
„Beim Vormittag und bei der Nacht, wenn alles still ist! Dein Herr hat dich weder verlassen, noch verabscheut. Wahrlich, das Jenseits ist besser für dich als das Diesseits. Und wahrlich, dein Herr wird dir geben und du wirst wohlzufrieden sein. Hat Er dich nicht als Waise gefunden und aufgenommen und dich auf dem Irrweg gefunden und richtig geführt und dich dürftig gefunden und reich gemacht? Darum unterdrücke nicht die Waise und fahre nicht den Bettler an und sprich überall von der Gnade deines Herrn“ (Koran Sure 93).
Quelle: http://antikezukunft.de/2012/10/24/1704/
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