Die Steinigung

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Ein Punkt am klassischen Islam, der wohl am meisten Abscheu hervorruft ist das Strafrecht und dabei die Körperstrafen, insbesondere die Steinigung. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sie gegenwärtig auch noch ungerecht umgesetzt wird (so wurden Meldungen laut, daß Frauen gesteinigt wurden, die vergewaltigt wurden, obwohl dies in der islamischen Rechtslehre definitiv nicht so vorgesehen ist).
Doch wie islamisch ist die Steinigung überhaupt? Hierzu ist es notwendig, zunächst den Weg des klassisch islamischen Rechts nachzuvollziehen, der zur Steinigung als Strafe für verheiratete Ehebrecher führt.


Hierzu blicken wir zunächst in den Koran und finden zunächst einmal nichts, was auf die Steinigung hindeutet, sondern nur einen Vers, der sich mit Zina (Hurerei) beschäftigt:

Sure 24 Vers 2 „(Hinsichtlich) der Zina-Treibenden und des Zina-Treibenden, so peitscht jeden von ihnen mit hundert Peitschenschlägen. Und lasst kein Erbarmen beiden gegenüber (bei der Erfüllung) von ALLAHs Din euch ergreifen, solltet ihr den Iman an ALLAH und an den Jüngsten Tag verinnerlichen. Und eine Gruppe von den Mumin soll ihrer Peinigung beiwohnen!“ (Zaidan)

Wir sehen also, daß der Koran für Zina auspeitschen vorschreibt und keine Steinigung.

Wie also nun kommen die Gelehrten zu der Meinung, daß die Steinigung die eigentliche Strafe für Zina sei?

Hierüber können vielleicht die unzähligen Ahadith Auskunft geben und tatsächlich, schon bei Buhari (auf den wir uns hier beschränken wollen) werden wir fündig (die Aufzählung beinhaltet nicht alle Ahadith zum Thema Steinigung):

`Abdullah Ibn `Umar, Allahs Wohlgefallen auf beiden, berichtete: „Die Juden kamen zum Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, und zeigten bei ihm einen Mann und eine Frau von ihnen an, die Ehebruch begangen hatten. Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte zu ihnen: „Was habt ihr in der Thora für Bestimmungen über die Steinigung?“ Die Juden sagten: „Wir stellen sie bloß und peitschen sie aus.“ Darauf sagte `Abdullah Ibn Sallam: „Ihr lügt denn dort steht die Steinigung fest!“ Sie brachten dann die Thora und rollten sie auf, und einer von ihnen legte seine Hand auf die Stelle, an der die Steinigung stand. Er las vor, was davor und was danach stand. Da sagte `Abdullah Ibn Sallam zu ihm: „Nimm deine Hand weg!“ Als er sie wegnahm, wurde der Vers über die steinigung sichtbar. Die Juden sagten: „Er sagte die Wahrheit, o Muhammad. Darin gibt es den Vers über die Steinigung!“ Dementsprechend veranlaßte der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, ihre Strafe durch steinigung. Ich sah dann, wie sich der Mann über die Frau bückte, um sie vor den Steinen zu schützen! “

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 3635]

Dschabir berichtete: „Ein Mann von (dem Stamm) Aslam kam zum Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, während er sich in der Moschee aufhielt, und erzählte ihm, dass er Unzucht begangen hat. Der Prophet wandte sich von ihm ab, und der Mann begab sich zu der Seite, zu der der Prophet sich hinwandte, und leistete viermal die Zeugnisaussage gegen sich selbst. Der Prophet ließ ihn zu sich näher kommen und sagte zu ihm: „Bist du verrückt! Bist du verheiratet?“ Der Mann sagte: „Ja!“ Darauf veranlaßte der Prophet seine Steinigung im Gebetssaal. Als er durch die Steine verletzt wurde, entfloh er und wurde in einer steinigen Gegend eingeholt, wo er dort getötet wurde.“

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 5270]

`Alyy, Allahs Wohlgefallen auf ihm, – nachdem er am Freitag für eine Frau die Strafe der Steinigung vollzogen hatte – sagte: „Ich habe sie nach der Sunnah des Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, mit der Steinigung bestraft.“

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 6812]

Dschabir Ibn `Abdullah Al-Ansaryy berichtete: „Ein Mann von Aslam kam zum Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, und erzählte ihm, dass er Unzucht begangen hatte, und leistete dafür viermal die Zeugenaussage gegen sich selbst. Darauf veranlaßte der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, seine Bestrafung durch Steinigung. Dieser Mann war verheiratet.“

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 6814]

Ibn `Umar, Allahs Wohlgefallen auf beiden, berichtete: „Ein Jude und eine Jüdin wurden zum Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, gebracht, die miteinander Unzucht begangen hatten. Der Prophet sagte zu den Juden: „Was findet ihr in eurer Schrift?“ Die Juden sagten: „Unsere Rabbiner bestimmten neulich, dass dafür das Gesicht geschwärzt und lächerliche Kleidung angezogen werden sollen.“ Darauf sagte `Abdullah Ibn Salam: „O Gesandter Allahs, laß sie die Thora vorlegen!“ Sie brachten dann die Thora und einer von ihnen legte seine Hand auf den Vers über die Steinigung. Er fing an zu lesen und las nur, was davor und was danach stand. Da sagte Ibn Salam zu ihm: „Hebe deine Hand ab!“ Als er sie wegnahm, wurde es deutlich, dass der Vers über die Steinigung unter seiner Hand war. Darauf veranlaßte der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, ihre Abführung, und die beiden wurden am Vorplatz der Moschee gesteinigt. Ich sah dann, wie sich der Jude über sie beugte (um sie vor den Steinen zu schützen)! “

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 6819]

`Umar sagte: „Ich befürchte, dass eine lange Zeit über die Menschen vergeht, bis jemand sagt: „Wir finden nichts über die Steinigung im Buche Allahs.“ Und dann gehen sie mit der Unterlassung einer Bestimmung, die Allah herabgesandt hat, in die Irre. Wahrlich, die Steinigung ist eine gerechte Strafe für denjenigen, der Unzucht begeht und verheiratet ist, solange der Beweis oder die Schwangerschaft oder das Geständnis vorliegen.“ Sufyan fügte hinzu: „Ich behielt noch den Satz: „Wahrlich, der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, bestrafte mit der Steinigung und nach ihm haben wir auch die Steinigung (als Strafe) angewendet.“

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 6829]

Die aufgeführten Überlieferungen sind islamisch gesehen allesamt korrekt und authentisch und stehen in einem krassen Widerspruch zu dem erwähnten Koranvers. Wie lösten also die Gelehrten diesen Widerspruch auf?
Sie nahmen zwei Ahadith, die eine Unterscheidung bezüglich Zina erwähnen, nämlich Nr. 6814 und Nr. 5270, die beide auf den Propheten(sa) zurückgehen, sowie Nr. 6829, der auf Umar, den zweiten Kalifen zurückgeht.

Man unterscheidet also zwischen Zina von unverheirateten und Zina von verheirateten Personen.

Wie kann man nun also gegen die obigen Argumente vorgehen?

Es ist zu erwähnen, daß das Ziel dieses Artikels nicht ist islamisches Recht dem nichtislamischen anzupassen, weil einem der Islam in einzelnen Ausführungen nicht gefällt, sondern es geht darum zu überprüfen, ob die orthodoxe Interpretation die einzig mögliche ist bzw. diese einer Überprüfung standhält! Hierzu sei erwähnt, daß ich mit der Steinigung als Strafe aus religiöser Perspektive keinerlei Probleme habe, was den nichtmuslimischen Leser einigermaßen erschrecken dürfte; dies liegt jedoch darin begründet, daß die islamischen Hadd-Strafen nicht so ohne weiteres umgesetzt werden können/dürfen, was jedoch eine eigene Abhandlung wert wäre, die an dieser Stelle jedoch nicht ausgebreitet werden soll.

Aus der orthodoxen Lehrmeinung ergeben sich nun mehrere Poblematiken oder wenigstens kritische Rückfragen:

1. Es geht aus einem Hadith bei Buhari hervor, daß es offenbar Unklarheiten gab, ob überhaupt noch von Muhammad(sa) gesteinigt wurde, nachdem der Koranvers 24/4 offenbart wurde:

Asch-Schaibanyy berichtete: „Ich stellte `Abdullah Ibn Abi Aufa folgende Frage: „Hat der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, die Steinigungsstrafe angewendet?“ Und er entgegnete: „Ja!“ Ich fragte ihn weiter: „War das vor der Offenbarung der Surah An-Nur (Nr. 24) oder danach?“ Er sagte: „Ich kann mich nicht erinnern!“

[Sahih Al-Bucharyy Nr. 6813]

Ist eine Steinigung eine so kleine Sache, daß man sie gleich wieder vergißt? Wie dem auch sei:

Die Steinigung war feste Praxis der Juden und ist auch in der Bibel verankert. Manche Gelehrte wollen uns nun glauben machen, daß Gott die Strafe für Zina in Sure 4 Vers 15ff. festgelegt hätte (also eine Abrogation der Bibel). Dann sei die Steinigung eingeführt worden und hätte Sure 4 Vers 15ff. abrogiert (also der Ursprungszustand der Bibel wird wieder eingeführt)1.
2. Der Koran befaßt sich auch an anderen Stellen mit dem Strafrecht bezüglich Zina. So sagt zum Beispiel Sure 4 Vers 25:

„Und wenn sie (die Mumin-Dienerinnen) verheiratet sind und dann Unzucht begehen, dann ist ihnen die Hälfte des Strafmaßes auferlegt, das für freie Frauen vorgesehen ist. Dies ist für denjenigen von euch, der fürchtet, ansonsten Schädlichkeit (Unzucht) zu begehen. Und wenn ihr euch in Geduld übt, ist es besser für euch. Und ALLAH ist allvergebend, allgnädig.“ (Zaidan)

Wie aus dem Vers zu ersehen, müßten Sklaven eine halbe Todesstrafe erleiden, was de facto gar nicht möglich ist!

Befürworter meinen jedoch, daß die im Vers genannten freien Frauen unverheiratet seien. Jedoch stellt sich dann die Frage, wieso verheiratete Dienerinnen eine niedrigere Strafe (50 Peitschenhiebe) erhalten, als unverheiratete Dienerinnen (100 Peitschenhiebe) und wieso freie verheiratete Frauen eine höhere Strafe (Steinigung) bekommen sollten, als unverheiratete Frauen(100 Peitschenhiebe). Mit dieser Erklärung führt man das vom Koran geforderte Gerechtigkeitsprinzip ad absurdum nur um die Steinigung beibehalten zu können. Des weiteren ist man mit dieser Argumentation nicht konsequen, da man Sure 24 Vers 4:

„Und diejenigen, die den keuschen Frauen (Zina) vorwerfen dann (dafür) keine vier (Augen-)Zeugen bringen, diese sollt ihr mit achtzig Peitschenschlägen peitschen und ihr Zeugnis niemals gelten lassen. Und diese sind die wirklichen Fasiq,“ wiederum auf alle Frauen anwendet und nicht nur auf unverheiratete Frauen. Entweder ist man so konsequent und behandelt alle Termini „Frau“ im Koran, die etwas mit Zina zu tun haben gleich, oder man unterstellt Gott sich unklar auszudrücken.
3. In Sure 24 Vers 6 kann man folgendes lesen:

Und diejenigen, die ihren Ehefrauen (Zina) vorwerfen und dafür keine Zeugen außer sich selbst haben, dann ist das Zeugnis eines von ihnen vier Bezeugungen bei ALLAH: „Gewiß, er ist zweifelsohne von den Wahrhaftigen.“

Es ist zumindest verwunderlich, daß der Koran an dieser Stelle ohne erkennbaren Sprung nach der angegeben Strafe des Auspeitschens bei Zina direkt auf Ehefrauen zu sprechen kommt, ohne überhaupt eine andere Strafe auch nur ansatzweise zu erwähnen!

4. Der Begriff Zina ist an sich schon deutlich, denn Zina meint jeglichen Geschlechtsverkehr von Personen, die nicht miteinander verheiratet sind, unabhängig, ob diese Personen selbst verheiratet sind, oder nicht. Anbei einige Meinungen verschiedener Exegeten:

„Sina“ bedeutet Geschlechtsverkehr zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind. Das Wort bezieht sich somit sowohl auf Ehebruch, als auch auf voreheliche und außereheliche Beziehungen allgemein. Die Gesetzgebung bezüglich Heirat und Scheidung ist im Islam einfach gehalten, so dass wenig Versuchung besteht, außerhalb des ehelichen Rahmens sexuelle Beziehungen zu suchen. Dies führt sowohl für den Mann als auch für die Frau zu größerem Selbstrespekt. Auch andere sexuelle Vergehen sind strafbar, aber dieser Abschnitt bezieht sich nur auf Sina.

(Juusuf `Allii)

The Arabic word zanaa denotes sexual intercourse between any man and woman, whether married or not, who do not stand to each other in the relation of husband and wife; and, as such, has no single word equivalent in English language. It includes both adultery (i.e. illicit sexual intercourse of two persons either of whom is married to a third person) and fornication (i.e. illicit sexual intercourse of unmarried persons).

(Maulana Abdul Majid Daryabadi)

The term zina signifies voluntary sexual intercourse between a man and a woman not married to one another, irrespective of whether one or both of them are married to other persons or not: hence, it does not — in contrast with the usage prevalent in most Western languages — differentiate between the concepts of „adultery“ (i.e., sexual intercourse of a married man with a woman other than his wife, or of a married woman with a man other than her husband) and „fornication“ (i.e., sexual intercourse between two unmarried persons).

(Muhammad Asad)

 

Somit stellen die Ahadith bezüglich der Steinigung  eben keine weitere Erklärung des Begriffes Zina dar, sonder ändern schlicht die Bedeutung des Begriffes Zina ab, widersprechen also dem Koran.

 

Anhand der vier genannten Punkte drängt sich nun die Frage auf, ob die Steinigung wirklich islamisch ist, oder ob hier nur Traditionen gewahrt werden, die aus der Thora übernommen wurden.


1 http://tafsir.com/default.asp?sid=4&tid=10619

 

 

Quellen und Weiterführendes:

„Der Koran“ Übersatzt von A. Zaidan
„Tafsir Al-Qur’an-Al-Karim“ von M. Rassoul
„Auszüge aus dem Sahih al Buharyy“ v. M. Rassoul
„Der Islam als Alternative“ v. M. Hofmann
„Der Islam im 3. Jahrtausend“ v. M. Hofmann
„Der Islam – Alltagskonflikte und Lösungen“ v. M. Rohe

 

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