Zu Islam, Frieden und Friedenmachen Teil 4 (von A.v.Denffer)

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Das Gedicht an Hubaischa

Auf eine wichtige außerkoranische Belegstelle zu „aslama“ sollte, wie schon oben gesagt, noch näher eingegangen werden: اسلمى حبيش  على نفد من العيش  .

Wir lasen bereits bei Horovitz, daß “aslama“ „nach aramäischem Vorbild auch in die religiöse Sphäre übertragen worden sei. Vielleicht war das schon vor Muhammad geschehen; in den Worten, die der Ğādimit an seine Frau richtet: aslimī Hubaiš ’alā nafadin min al-’aiš I. Hiš. 837,15 hat aslimi offenbar die Bedeutung „ergib dich in dein Schicksal.“[133]

Um mit diesem Hinweis etwas anzufangen, muß man ihn zunächst entschlüsseln. Mit „der Ğādimit“ ist ein Angehöriger des Stammes Dschadsima gemeint, die Abkürzung „I. Hiš.“ bedeutet Ibn Hischam 837,15, die Ziffernfolge steht für eine Seitenzahl und Zeilenangabe. Letzteres hilft wenig, da es von Ibn Hischam verschiedene Ausgaben gibt. Wer sich indes mit der „sira“, d.h. der Lebensgeschichte des Propheten, etwas auskennt, weiß, in welchem Zusammenhang dort der Stamm Dschadsima vorkommt und kann die besagte Stelle dann auch identifizieren.[134] Es handelt sich um das Geschehen, bei dem der muslimische Heerführer Khalid ibn al-Walid entgegen der Anweisung des Propheten Muhammad (s) Gefangene ermordet hat. Hierauf soll im Anschluß noch näher eingegangen werden.

Zunächst aber sei festgehalten, daß Horovitz mit diesem Hinweis darauf aufmerksam machen wollte, daß „aslama“ wohl schon im vorislamischen Arabisch bekannt und gebräuchlich war. Weil übersetzte die Zeile „Ergib Dich, Hubeischeh, da doch das Leben zu Ende geht!“[135] während Guillaume im Englischen daraus machte „Fare you well, Hubaysha, though life is at an end“.[136]

Zum besseren Verständnis ist es sinnvoll, sich den Kontext zu vergegenwärtigen, in dem diese Episode steht. Dabei wird zudem unübersehbar, wie eng der Zusammenhang zwischen „aslama“ im Sinne von „den Islam annehmen “ einerseits und „Frieden machen“ andererseits tatsächlich ist:

Nach der Einnahme Mekkas im Jahr 8 der Hidschra (630) entsandte der Prophet Muhammad (s) verschiedene kleinere Trupps zu den arabischen Stämmen der Umgebung, die bis dahin die Muslime als ihre Feinde bekämpft hatten, um sie zur Annahme des Islam und zum Ende der Feindseligkeiten aufzufordern. Einen dieser Trupps schickte der Prophet unter der Führung des erst kürzlich Muslim gewordenen Khalid ibn al-Walid zu dem Stamm Dschadsimah. Bei Ibn Hischam heißt es dabei ausdrücklich „er (der Prophet) schickte ihn (Khalid) nicht zum Kämpfen.“[137] Als Khalid mit seinen Männern bei dem Stamm Dschadsima angekommen war, forderte er die Leute auf:

Legt die Waffen nieder, denn die Menschen haben schon den Islam angenommen“ (fa-inna-n-nasa qad aslamu).[138]

Bei dem Stamm Dschadsimah bestand zunächst noch Uneinigkeit darüber, ob sie tatsächlich ihre Waffen niederlegen sollten. Einer von ihren Männern namens Dschahdam warnte davor, daß Khalid sie töten würde. Andere entgegneten ihm: „O Dschahdam, willst du unser Blut vergießen? Die Menschen haben ja schon den Islam angenommen (qad aslamu) und die Waffen niedergelegt, und der Krieg wurde beendet (wudi’ati-l-harb), und die Menschen sind sicher!“[139] Schließlich entwaffneten sie ihn und legten ihre Waffen nieder. Daraufhin ließ Khalid eine Anzahl ihrer Männer in Fesseln legen, um sie zu töten. Einer von ihnen bat darum, zuvor noch einmal zu den Frauen geführt zu werden und sprach dann das mit den besagten Worten beginnende Gedicht: aslimi Hubaisch ’ala nafadin mina-l-’aisch…“

In der Überlieferung heißt es weiter, daß die Frau namens Hubaischa dem jungen Mann, nachdem er sein mehrzeiliges Gedicht beendet hatte, in dem er ihr seine Liebe nochmals versicherte, ihrerseits mit den Worten zusprach: „Und du, du lebe sieben und zehn für sich (witran) und acht darauf (tatran)“, also jedenfalls ein langes Leben. Dann, so heißt es weiter, wurde dem jungen Mann der Kopf abgeschlagen, „und sie begab sich zu ihm als ihm der Kopf abgeschlagen war, und sie beugte sich über ihn, und sie hörte nicht auf, ihn zu küssen, bis sie bei ihm starb.“[140]

Die Ermordung der Gefangenen war der Anlaß für den verzweifelten Ausruf des Propheten Muhammad (s), der, als ihm diese Nachricht überbracht wurde, die Hände zum Himmel hob und sagte: „O Allah, ich sage mich los vor Dir von dem, was Khalid ibn al-Walid gemacht hat!“ Dann schickte er Ali zu dem Stamm Dschadsimah, um die Hinterbliebenen durch Zahlung von Blutgeld zu entschädigen.

 

Nun kann man hier zunächst folgende Überlegung anstellen: Das Wort „aslama“ scheint in der vorislamischen arabischen Sprache nicht allzu häufig gewesen zu sein. Man fragt sich, weshalb dieser junge Mann das an seine Frau gerichtete Abschiedsgedicht ausgerechnet mit einem Wort beginnt, das wenig gebräuchlich ist. Der Schluß liegt nahe, daß er dieses Wort aufgegriffen hat, weil es in den vorangegangenen Wortwechseln zwischen Khalid ibn al-Walid und den Männern des Stammes Dschadsima das eigentliche Schlüsselwort ist: Der Krieg ist beendet, die Leute haben schon den Islam angenommen… qad aslamu…

So gesehen verwundert es nicht, daß der junge Mann von den Banu Dschadsimah seiner Frau, als er sein Leben zu Ende gehen weiß, zum Abschied ans Herz legt: „aslimi Hubaisch – nimm den Islam an, Hubaisch!“ Und so gesehen, bedeuten diese Worte in diesem Kontext, nachdem der junge Mann und sein ganzer Stamm infolge des Krieges in Gefangenschaft geraten waren, zugleich auch: Höre auf mit dem Krieg – „Mache Frieden, Hubaisch, am Ende des Lebens…“

Ebenso ist das Gesamtgeschehen für Ringgrens oben erwähnten Vorschlag von Bedeutung, das Wort „aslimi“ könne man „auch islámī vokalisieren und folglich übersetzen: „Mögest du sicher sein, o Hubaiša, gegen aus dem Leben zu gehen.“[141] Diese Lesart erweist sich als weniger brauchbar, weil das Gedicht und sein einleitendes Wort in einem Zusammenhang steht, in dem kurz vorher schon das Wort „aslamu“ (nehmt den Islam an, macht Frieden) durch Khalid ibn al-Walid verwendet ist. Wie will Ringgren, wenn er statt des IV. Stammes hier den I. Stamm annimmt, die Aufforderung zur Beendigung des Krieges wiedergeben? Die Rede des Khalid ibn al-Walid würde dann lauten: „Legt die Waffen nieder, denn die Menschen sind schon sicher geworden.“ Das macht kaum Sinn, denn der Grund dafür, daß der Stamm Dschadsima gegen den Propheten Muhammad (s) gekämpft hatte, war nicht, daß „die Menschen nicht sicher waren“, sondern daß der Prophet den Islam verkündete. Außerdem widerspräche das auch Wortlaut und Schreibung des Satzes bei Ibn Hischam und müßte statt „qad aslamu“ (sie haben schon den Islam angenommen bzw. sie haben schon Frieden gemacht) heißen „qad salimu“ (sie sind schon sicher geworden).

 

Von all dem abgesehen ist hier indes, wenn man das Gesamtgeschehen berücksichtigt, der Zusammenhang zwischen dem Annehmen des Islam und dem Ende des Krieges jedenfalls in den Worten des Khalid ibn al-Walid eindeutig. Wenn die überlieferten Worte von Khalid so gesprochen wurden, und es gibt keinen Beleg dafür, von etwas anderem auszugehen, dann hat er die Leute vom Stamm Dschadsimah direkt auf diesen Zusammenhang hin angesprochen: „Legt die Waffen nieder, denn die Menschen haben schon den Islam angenommen“, und wenn die Leute vom Stamm Dschadsima zueinander sagten: „Die Menschen haben ja schon den Islam angenommen (qad aslamu) und die Waffen niedergelegt, und der Krieg wurde beendet (wudi’ati-l-harb)…“ zeigt das, daß sie auch selbst diesen Zusammenhang gesehen haben. Für sie bestand hier zweifelsfrei eine Verbindung zwischen der Beendigung des Krieges und dem Annehmen des Islam. Insofern kann darum nichts wirklich dagegen sprechen, an dieser Stelle den Satz „fa-inna-nasa qad aslamu“ auch zu verstehen als „denn die Menschen haben schon Frieden gemacht.“ Der Zusammenhang zwischen dem Annehmen des Islam und dem Ende des Krieges ist nicht nur offensichtlich, sondern wird hier ausdrücklich hergestellt: „qad aslamu“ – „wudi’ati-l-harb“. Die Mehrschichtigkeit des Begriffs „islam“ ist hier nicht zu übersehen. Es ist mit Sicherheit nicht falsch zu sagen „sie haben schon den Islam angenommen“ – „der Krieg ist beendet“, aber, obwohl nicht so akzentuiert, dennoch auch nicht falsch zu sagen „sie haben sich schon ergeben“ – „der Krieg ist beendet“ und ebenso nicht falsch zu sagen „sie haben schon Frieden gemacht“ – „der Krieg ist beendet“. Alle diese drei Bedeutungen sind hier in den Worten „qad aslamu“ impliziert.

 

Resümee

Fassen wir zusammen: Die vorliegende Untersuchung ging von der Frage danach aus, was das Wort „islam“ bedeutet, konkret: Ist es sinnvoll und berechtigt, „islam“ im Deutschen mit „das Friedenmachen“ wiederzugeben? Der muslimische Gelehrte Abu-l-Khair ibn al-Dschadsari sagte über die verschiedenen Koranlesarten:

Jede Lesart in Übereinstimmung mit dem Arabischen, und wenn (nur) auf eine Weise, und in Übereinstimmung mit einem der masahif von Osman,[142] und wenn (nur) wahrscheinlich, und mit guter Überliefererkette, ist eine korrekte (sahih) Lesart, die nicht verworfen werden darf und nicht geleugnet werden darf…“[143]

Hier wird unmißverständlich davon ausgegangen, daß es nicht unbedingt nur eine einzige verbindliche Lesart des Textes geben muß. Als Kriterien gelten auch nicht bloß überlieferte, am weitesten verbreitete oder auf bestimmte Autoren bezogene Meinungen. Vielmehr müssen die folgenden drei Bedingungen erfüllt sein:

1. Übereinstimmung mit der arabischen Sprache, ihren Regeln und ihrem Gebrauch.

2. Vorkommen des Wortes in der anerkannten schriftlichen Fixierung des koranischen Textes.

3. Stützung auf anerkannte Autoritäten.

Dementsprechende Voraussetzungen möchte ich im Hinblick auf die Koranauslegung und damit die Koranübersetzung angewendet wissen, denn letztendlich ist Übersetzung eine besondere Form der Exegese, und der Exegese ihrerseits liegt der Text mit seinen Lesarten zugrunde. Konkret auf den Versuch bezogen, das koranische Wort „islam“ in deutscher Sprache wiederzugeben, bedeutet dies:

Es muß nicht unbedingt nur eine einzige „richtige“ Übersetzung geben. Auch Übersetzungen, die älter oder weiter verbreitet sind oder von bestimmten Autoren stammen, sind nicht ausschließlich verbindlich. Vielmehr gilt:

Jede Übersetzung ist dann eine korrekte, zulässige Übersetzung, die nicht verworfen oder in Abrede gestellt werden sollte, wenn 

1. die Übersetzung nach den Regeln und dem Gebrauch der Sprache Sinn macht,

2. die Übersetzung von dem vorgegebenen koranischen Text ausgeht und aus diesem, um zu einer bestimmten Bedeutung zu gelangen, nichts streicht und ihm auch nichts hinzufügt.

3. wenn die für die Übersetzung herangezogenen Wortbedeutungen von anerkannten Autoritäten gestützt sind.

 

Ich halte diese Voraussetzungen im Hinblick auf die Wiedergabe des Wortes „islam“ mit „Friedenmachen“ für erfüllt. Damit ist nicht bestritten, daß „islam“ u.a. auch die Konnotationen von „Ergebung“, „Fügung“ ja sogar „Unterwerfung“ hat, aber ich wende mich dagegen, daß dies jeweils die einzig mögliche und einzig richtige Bedeutung des Wortes darstellen soll.

Wie ein roter Faden zieht sich die, wie Smith sie bezeichnet, „linguistische Definition“[144] von „islam“ als „ad-duchul fi-s-silm“, d.h. „das Eintreten in den Frieden“ durch nahezu alle die großen Korankommentare, von der Frühzeit bis in die Moderne. Wenn auch vergleichsweise weniger beachtet, hat doch kaum einer der angesehenen muslimischen Gelehrten sie ausgelassen.

Diese Definition „dachala fi-s-silm“ (eintreten in den Frieden) meint nicht zuerst das Eintreten in einen abstrakten Zustand des Wohlbehaltenseins (as-salamah), sondern zunächst ganz konkret das Ende von Krieg und Kampf, also genau das, was mit „Frieden machen“ ausgedrückt ist.

Dafür, daß dieser Ausdruck in diesem Sinn gebraucht wird, haben sich ausreichend Belege finden lassen, darunter solche wie bei Tabari und Razi, aber auch schon im außerkoranischen Arabisch. Muhammad Abduh betonte sogar im Hinblick auf 49:14: „und seine Bedeutung ist (hier) nicht die Aufrichtigkeit und das Folgen mit Unterwerfung (ids’an)“ sondern eben „das Friedenhalten (musalamah) mit den Gläubigen, nachdem wir mit ihnen im Krieg waren.“[145]

 

Wörter haben sehr oft einen mehrfachen Sinn, wobei der eine den anderen eben nicht ausschließt, sondern ergänzt oder einen jeweiligen Aspekt der Gesamtbedeutung hervorhebt. Schon Smith machte darauf aufmerksam, daß in den modernen arabischen und insbesondere den nichtmuslimischen Lexika und Wörterbüchern bei der Definition des Begriffs „islam“ die Gemeinschaft der Muslime in ihrer historischen und auch politischen Gestalt anstelle des Aspekts der persönlichen religiösen Haltung in den Vordergrund gerückt ist.[146]

Islam“ als „Friedenmachen“ fällt natürlich in den letzteren Bereich, und insofern verwundert es weniger, daß es bei den moderneren Definitionen kaum eine Rolle spielt. Verfolgt man indes die Spur aus der Moderne zurück in die früheren Epochen, scheinen sich die Belege dafür, je weiter man zurückgeht, zu mehren. Jedenfalls ist das Konzept durchaus nachweisbar. Es läßt sich, wie aufgezeigt, bis in die frühesten erhaltenen Korankommentare zurückverfolgen. Die Definition von „islam“ bzw. „aslamna“ als „wir sind in den Frieden eingetreten, und wir haben den Krieg gelassen“ war nichts Neues, sondern gehörte von Anfang an zum Grundbestand des gesamten Bedeutungsfeldes.

Die hier erfolgte Untersuchung beruht auf der bislang wohl vollständigsten Darstellung des relevanten Quellenmaterials, wenn nicht überhaupt, dann jedenfalls in deutscher Sprache. Sie hat ausreichend Belege geliefert, die darauf hinweisen, daß das Wort „islam“ nicht bloß „Ergebung, Fügung, Unterwerfung“ etc. bedeutet, sondern insbesondere auch „Friedenmachen.“ Wie ersichtlich, vertrete nicht ich allein diese Ansicht. Wenn ich aber zu denen gezählt werde, die das Verständnis vom Islam als „Friedenmachen“ in Erinnerung gerufen und in unserem deutschen Sprachraum eingeführt und verbreitet haben, bin ich froh und dankbar dafür.

Im Übrigen befinde ich mich mit dieser Sicht der Dinge durchaus in guter Gesellschaft. Einer der bekanntesten, wenn auch – wie wohl jeder von uns – nicht gänzlich unumstrittenen zeitgenössischen Islamgelehrten Ägyptens schrieb:

Das Wort „islam“ ist aus der Materie von „s“ und „l“ und „m“ genommen, und „s“ und „l“ und „m“ hat eine Bedeutung, die in allen seinen  Ableitungen enthalten ist und die hinausläuft auf „as-salamah mina-l-fasad“ (Wohlbehaltensein vor Schlechtigkeit), und die Bedeutung läuft auch hinaus auf „as-sulh“ (Friede) zwischen dem Menschen und sich selbst, und zwischen dem Menschen und seinem Herrn, und zwischen dem Menschen und dem Weltall, und zwischen dem Menschen und seinen Brüdern, es ist „salah“ (Friedlichkeit, Gedeihlichkeit) und das Fehlen von „fasad“ (Schlechtigkeit), jedes Element von „s“ und „l“ und „m“ weist darauf hin, und weil doch das daraus gebildete Wort „islam“ darauf hinweist, warum folgen wir ihm nicht?“[147]

Als ich vor 20 Jahren davon sprach, daß „islam“ das „Friedenmachen“ des Menschen

mit Gott, mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen und mit seiner Umwelt, der Schöpfung überhaupt, betrifft, lag der hier zitierte „tafsir asch-Scha’rawi“ noch nicht vor. Auch hat Scha’rawi mit Sicherheit keinen meiner Vorträge zu diesem Thema gehört. Die Übereinstimmung in der Sicht dessen, was „islam“ nicht zuletzt und gerade auch bedeutet zeigt, wie wichtig es ist, daß sich in erster Linie Muslime dazu äußern, Menschen, die selbst bemüht sind, nach dem Islam zu leben. Denn was die Frage Scha’rawis angeht: „Warum folgen wir ihm nicht?“ mag neben manchen anderen eine Antwort darauf auch sein: Weil es uns Muslimen nicht wirklich bewußt geblieben ist, und weil wir Muslime deshalb vom „islam“ als „Friedenmachen“ kaum reden.

 

Warum heute?

Eingangs war davon die Rede, daß die Frage, ob „islam“ nun in der Tat „Friedenmachen“ heiße, vor ein paar Jahren noch eher als eine akademische zu betrachten war, während sie heute zu einer politischen Frage geworden ist. Politisch, weil heutzutage der Islam unverkennbar in den Mittelpunkt der politischen Debatte und Auseinandersetzung gerückt wurde. Noch viel mehr als in der Vergangenheit wird der Islam mit Krieg und Gewalt in Verbindung gesehen, insbesondere nun auch mit Terrorismus.

Aus meiner Sicht der Dinge sind es derzeit hauptsächlich drei „Akteure“, die in dieser politischen Auseinandersetzung von immenser Wichtigkeit direkt davon tangiert sind, wie sie den Islam und nicht zuletzt auch die Bedeutung seines Namens verstehen:

1. Die Muslime selbst, 2. ihre nichtmuslimischen Opponenten, und 3. die große Masse der an der Auseinandersetzung nicht unmittelbar Beteiligten, aber doch davon Betroffenen.

 

1. Nur wenn wir uns selbst, die Muslime, beständig daran erinnern, daß unsere Religion essentiell eine Friedensangelegenheit ist und die Einladung zum Islam eine Friedensbotschaft darstellt, kann es gelingen, daß diejenigen, die meinen, dieser Sache des Islam sei per se mit Gewaltanwendung zu dienen, sich nicht zu den Meinungsführern entwickeln und vielleicht sogar selbst erneut darüber nachdenken. Wer wirklich und aufrichtig der Ansicht ist, daß es sich beim Islam um eine Friedensangelegenheit handelt, muß das auch immer wieder sagen und zudem nachvollziehbar begründen, selbst wenn er dabei vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht.

2. Die nichtmuslimischen Opponenten des Islam haben im Grund genommen keine neuen Strategien entwickelt. Sie zielen letztendlich darauf ab und arbeiten daran, den Islam im Verständnis seiner Anhänger zu „entpolitisieren“. Eine Alternative, eine Konkurrenz oder gar eine Bedrohung für sie stellt der Islam in erster Linie dar, sofern er sich politisch auswirkt. Die Opponenten haben inzwischen begriffen, daß der Islam zukünftig auch in Deutschland und Europa weiter an Bedeutung gewinnen kann. Deshalb ergreifen sie jetzt die entsprechenden Gegenmaßnahmen. Sie nutzen vor allem die Möglichkeit der Beeinflussung der Öffentlichkeit durch die Medien, versuchen auch, die Kontrolle über muslimischen Religionsunterricht bis hin zur Lehrerfortbildung zu erlangen, schrecken nicht vor Einschüchterungsmaßnahmen verschiedenster Art bis hin zur Verunglimpfung und Rufmord zurück, bedienen sich auch schon der Ablehnung der Einbürgerung und arbeiten an einer „Islamistendatei“. Ihre Methoden und Instrumente erinnern dabei mehr und mehr an das, was schon zuvor totalitäre Regime auf deutschem Boden in Anwendung brachten, sei es die „Judenkartei“, die „Stasi-Akten“, oder am Ende die Zwangsausbürgerung. Entscheidend angesichts dieser Vorgehensweise der Opponenten ist, daß die Muslime immer wieder die Friedensbotschaft des Islam in Erinnerung bringen. Für die Opponenten selbst ist es zwar letztlich unerheblich, ob „islam“ „Friedenmachen“ oder „Unterwerfung“ oder irgend etwas sonst bedeutet, denn ganz unabhängig davon setzen sie sich gegen den Islam ein. Ihnen aber immer wieder entgegenzuhalten, daß anders als sie behaupten, der Islam in der Tat eine Friedensangelegenheit ist, bedeutet nicht nur angesichts der Lüge die Wahrheit zu sagen, sondern auch ihrem zugegebenermaßen massiven Unterfangen entgegenzuwirken, an ihrer Stelle den Islam als friedensstörend und friedensfeindlich darzustellen. Und gerade für sie ist es auch entscheidend, ihnen immer wieder in Erinnerung zu bringen, daß zwischen Frieden unter den Menschen und Frieden des Menschen mit Gott ein Zusammenhang besteht, weil dies der Punkt ist, der sie insbesondere stört.

3. Was schließlich die große Masse der eigentlich an der Auseinandersetzung nicht Beteiligten aber dennoch Betroffenen angeht, dürfen wir Muslime nicht erwarten, daß die Gegner des Islam sie über den Islam als Friedensangelegenheit aufklären. Diese Aufgabe wollen sie natürlich nicht und können sie auch gar nicht erfüllen, vielmehr ist dies die ureigenste Angelegenheit von uns Muslimen selbst. Und hier schließt sich der Kreis, denn nur, wenn wir Muslime uns selbst über die Bedeutung des Islam als Friedensangelegenheit im Klaren sind, können wir dies auch anderen Menschen vermitteln. Darum ist es notwendig, auch und gerade heute erneut daran zu erinnern und immer wieder davon zu sprechen:

Islam bedeutet „Friedenmachen.“

 


[133] Horovitz, op. cit.,  S.55.

[134] Ibn Hischam, as-sirah an- nabawijja, Beirut o.J. Teil II (Bd.3-4) S. 433. Die tragische „Geschichte des jungen Mannes von den Banu Dschadsima, den die Truppe von Khalid tötete“ berichtet auch unter Anführung des selben Zitats Ibn Kathir, as-sirah an-nabawijja Beirut, 1403/1983, Bd.3, S.596,760.

[135] Das Leben Mohammed’s nach Mohammed Ibn Ishak bearbeitet von Abb el-Malik Ibn Hischam. Aus dem Arabischen übersetzt von Dr. Gustav Weil, Stuttgart 1864, Bd. II, S.215.

[136] Guillaume A., The Life of Muhammad. A translation of Ishaq’s Sirat Rasul Allah, London 1955, S.564.

[137] Ibn Hischam op.cit., S.428.

[138] Ebd., S.429.

[139] Ebd., S.429.

[140] Ibn Hischam, as-sirah an- nabawijja, Beirut o.J. Teil II (Bd. 3-4) S. 434. Ähnlich auch in Ibn Sa’d, tabaqat al-kubra, Kairo o.J. Bd. II, S. 107 f.

[141] Ringgren, op. cit., S.18.

[142] mit einem der unter dem Kalifen Osman erstellten Koranhandniederschriften.

[143] Abu-l-Khair bin al-Dschadsari (gest. 833/1429) in: Sujuti, al-itqan fi-’ulum al-qur’an, Beirut 1393/1973, Bd. I, S. 75.

[144] Smith, op. cit., S.198.

[145] Abduh, Muhammad: tafsir al-manar, o.O. (Kairo) 1973, Bd. 11, S.296.

[146] Smith, op. cit., S.22-24.

[147]Asch-Scha’rawi, Muhammad Mutwalli: Tafsir asch-Scha’rawi, o.O. (Kairo) 1991, Bd. III, S.1353.

Quelle: http://www.al-islam-web.de/ZU_ISLAM_FRIEDEN_UND_FRIEDENM.38.0.html

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